Kurz: Blindleistung reduziert die Transportkapazität des Netzes. (Außerdem vernichtet sie auch noch einen Teil der real eingespeisten Leistung, aber das nur am Rande.)
Wobei "Transportkapazität" ungleich der in der Antwort von Herrn Schorlies erwähnten "Kapazität" ist... und deshalb hier erstmal die Definition der beiden Begriffe am Beispiel der Schankanlage von Herrn Schorlies:
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"Kapazität" eines Netzes: Aufnahmevermögen des zu transportierenden Gutes. Bei der Schankanlage also: Wieviel Bier passt in die Leitungen ?
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Im Allgemeinen ist diese Menge davon abhängig, welche "Spannung" / Druck anliegt. - Man denke etwa an Leitungen aus Gummi oder einem Luftballon als Leitungsabschluss...
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Anmerkung: Die elektrotechnische Definition des Begriffs "Kapazität" ist ein wenig anders, sodass dort die Kapazität unabhängig von der Spannung ist... aus Gründen der Vereinfachung sei das hier ignoriert.
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"Transportkapazität" eines Netzes: Durchlassfähigkeit (pro Zeiteinheit) für das zu transportierende Gut. Bei der Schankanlage also: Wieviel Liter Bier pro Minute können hier maximal durchfließen.
Soweit zur Kapazität. In der Praxis eines elektrischen Netzes gibt es jedoch neben der Kapazität auch noch die Induktivität. Und das Zusammenspiel der beiden Größen ist Wesentlich zum Verständnis des Phänomens "Blindleistung".
Am Beispiel der Schankanlage könnte man die (maximale) Fließgeschwindigkeit des Bieres in den Leitungen als "Induktivität" zuordnen.
Induktivität ist immer bzw. nur dann ein Problem, wenn sich die Fließgeschwindigkeit ändert - im Extremfall vom Maximum auf Null reduziert wird.
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In elektrischen Stromkreisen führt solch abruptes Anhalten zu derart hohen Spannungen, dass Funken überspringen oder Lichtbögen zünden... beides kann zur (schleichenden) Zerstörung der Anlage führen.
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Dreht an der Schankanlage jemand ruckartig den Hahn zu, so gibt es wegen der Trägheitskräfte(*) der strömenden Flüssigkeit ein "schlagendes" Geräusch in den Leitungen. Im Extremfall kann die Leitung dabei bersten - das Pendant zu Funke und Lichtbogen im elektrischen Fall.
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(*) Diese Trägheitskräfte sind derselben Natur, als wenn ein (schnell) fahrendes Auto gegen eine Wand fährt - auch hier wirken sehr große Kräfte...
In beiden Fällen wird man versuchen, das Abbremsen bzw. Anhalten des Flusses soweit zu verzögern, dass die dabei auftretenden Kräfte bzw. Spannungen in einem "erträglichen" Maß bleiben - zum Beispiel durch geeignete Kapazitäten.
Stellen wir uns nun eine sehr große Schankanlage vor, bei der von einer gemeinsamen Hauptleitung viele Zapfleitungen abgehen. Um das "Schlagen" beim (abrupten) Zudrehen eines Zapfhahnes zu unterdrücken, haben die Konstrukteure in der Nähe jedes Zapfhahnes eine Gummiblase ("Luftballon") installiert (oder die Leitungen hinreichend elastisch ausgeführt). Wenn nun der Zapfhahn geschlossen wird, dann füllt das strömende Bier langsam die Blase, die dabei allmählich einen immer größeren Gegendruck aufbaut... bis das Bier schließlich zum Stehen kommt (aber eben viel weniger Druck, als wenn der Bier-Strom abrupt zum Stehen käme).
Hier kommt nun die "Blindleistung" ins Spiel: Wenn das Bier in der Leitung (allmählich) zum Stehen gekommen ist, drückt die aufgeblähte Gummiblase "ihr" Bier in die Leitung zurück - das Bier fließt rückwärts. Werden alle Zapfhähne gleichzeitig geschlossen, fließt das Bier sogar in der Hauptleitung rückwärts. Andernfalls (nur einige Zapfhähne werden geschlossen), verringert sich "nur" die Fließgeschwindigkeit in der Hauptleitung.
Da in unserem Beispiel Bier für die Wirkleistung steht und der Durchfluss durch die Leitung für die Transportkapazität, bedeutet eine verringerte Fließgeschwindigkeit (wegen dem konstanten Querschnitt der Leitung) automatisch auch eine verringerte Transportkapazität.
Was zu beweisen bzw. erklären war
Und ganz analog verhält es sich bei den elektrischen Netzen...