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Ist die Nutzung von Pflanzenöl als Kraftstoff sinnvoll?

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Eingestellt 12, Nov 2014 in Energiewende von Michael Stöhr (1,180 Punkte)
Pflanzenöl ist ein wertvolles Nahrungsmittel. Sollte dieses überhaupt als Kraftstoff in Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen?
   

4 Antworten

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Beantwortet 12, Nov 2014 von Michael Stöhr (1,180 Punkte)
ausgewählt 14, Nov 2014 von Michael Stöhr
 
Beste Antwort
Betrachten wir einmal Pflanzenöl als Nebenprodukt der Tierfuttermittelherstellung. Deutschland importiert pro Jahr 3,3 mio Tonnen Sojabohnen, überwiegend zur Verfütterung an Nutztiere (http://www.bmelv-statistik.de/index.php?id=139), ein großer Teil davon ist gentechnisch manipuliert. Wollte man dieses Soja durch Rapspresskuchen aus heimischem Anbau ersetzen, damit lange Transportwege verkürzen und den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel reduzieren, bräuchte man dafür etwa 1,65 mio ha zusätzliche Ackerfläche, das sind etwa 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland (etwas mehr als die Fläche von 1,395 mio ha, auf der 2014 Winterraps angebaut wurde und zu vergleichen mit 24% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die aktuell zum Futtermittelanbau genutzt werden). Es müssten still gelegte Ackerflächen wieder bewirtschaftet werden, sofern es sonst keine Änderungen beim Anbau gibt.

Bei der Produktion von 3,3 mio Tonnen Rapsölkuchen fielen etwa 1,65 mio Tonnen Rapsöl als Nebenprodukt an. Diese Menge reichte ungefähr aus, den Kraftstoffbedarf der landwirtschaftlichen Betriebe zu decken. Da es zusätzlich produziert würde, könnte es vom Lebensmittelmarkt nicht automatisch aufgenommen werden, stünde also wirklich als Kraftstoff zur Verfügung. Sprich, die Verwendung von Rapsöl als Kraftstoff, das als Nebenprodukt einer Tierfuttermittelproduktion entsteht, welche importiertes Soja ersetzt, ist sinnvoll, da es ohne Verdrängung von Lebensmitteln genau dort vollständig verbraucht werden könnte, wo es produziert wird: in den landwirtschaftlichen Betrieben selbst.

Die gekoppelte heimische Produktion von Tierfuttermitteln und Pflanzenölkraftstoff führt nun aber zu dem sehr wünschenswerten Effekt zusätzlicher wirtschaftlicher Tätigkeiten und Wertschöpfung, sowie Arbeitsplatzschaffung im ländlichen Raum.

Die ökologischen Vorteile kommen bei Rapsöl erst sehr eingeschränkt zum Tragen. Ihr volles Potenzial entfalten sie erst, wenn statt Raps andere Ölfrüchte im Mischfruchtanbau mit Getreide und Hülsenfrüchten angebaut werden (http://www.mischfruchtanbau.de). Der Mischfruchtanbau, also der gleichzeitige Anbau einer Hauptfrucht mit einer Ölfrucht auf der gleichen Fläche, erlaubt eine starke Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und führt hin zum Bioanbau. Die Ölfrucht fällt als Nebenprodukt der Getreide- oder Hülsenfruchtproduktion an. Die meisten Erfahrungen liegen für Mischungen mit Leindotter vor. Leindotteröl wurde im EU-Forschungsprojekt 2ndVegOil erfolgreich in Traktoren als Kraftstoff eingesetzt. Leindotterölkuchen ist allerdings aktuell nicht als Futtermittel zugelassen, weil in der Vergangenheit die Kontaminationsfreiheit nicht hinreichend gewährt werden konnte.

Nähere Informationen unter: http://www.2ndvegoil.eu und http://www.praxtrak.de
Kommentiert 12, Nov 2014 von Jörg Tuguntke (1,368 Punkte)
Da rollt es mir schon wieder die Fußnägel auf!!!!  
"Kontaminationsfreiheit nicht hinreichend gewährt" ist natürlich wesentlich "schlimmer" als die Einschleusung von "Gen-Soja" in unsere Nahrungsmittel.

Aber das ist nur meine ganz persönliche Auffassung, daß ich diesen "Gen-Schrott" nicht essen möchte.

mfg  tugu
Kommentiert 13, Nov 2014 von Michael Stöhr (1,180 Punkte)
Zur Klarstellung: Ich plädiere für die Freigabe von Leindotterölkuchen als Futtermittel und bin für eine sehr restriktive Zulassung des Anbaus gentechnisch manipulierter Nutzpflanzen. Die Kontaminationsfreiheit kann durch übliche Auflagen bei der Verarbeitung gewährleistet werden. Zu beachten ist aber auch, dass das Fettsäuremuster von Leindotteröl Einfluss auf das produzierte Fleisch, Eier und Milch hat - wünschenswerte und weniger wünschenswerte. Das Fettsäuremuster von Ölen kann jedoch durch geeignete Züchtung beeinflusst werden, wie das Beispiel Raps gezeigt hat. Bei Leindotter gibt es bereits ähnliche Ansätze (Forschungsprojekt "Verbesserung des Fettsäuremusters von Leindotter durch rekurrente Selektion").
+1 Punkt
Beantwortet 12, Nov 2014 von Martin Schorlies (950 Punkte)
Die gute alte Diskussion Teller vs. Tank ... Wenn alles was jetzt z.B. Diesel nutzt diesen durch essbares Pflanzenöl substituiert ist das einzige pro die CO2-Neutralität. Als Treibstoff sollten nur Überschüsse und "Abfälle" (altes Frittieröl z.B.) genutzt werden, dann machts Sinn. Allerdings genauso wie Pallets nach deren Massenverbreitung im Preis gestiegen sind, kann man nicht grundsätzlich von wirtschaftlicher sprechen. Wirtschaftlicher heißt automatisch vergleichen... gegen was und wann? Es gab ja mal einen politischen Ansatz zu generalistischen Lösungen, der nach 40 Jahren beendet wurde ;). Ich denke es ist Sinvoller das thema der Energieversorgung als Obsttheke zu betrachten: aus einem breizen Angebot wird ein bestschmeckender (persönlicher) Obstsalat entwickelt, anstelle das geschschmackliche Äquivalent aus z.B. JellyBellies zu konsumieren. Wenn Sie also Zugang zu nicht verwertbaren Kontingenten an Speiseöl haben: Geben Sie ruhig Gas. Genauso ist es auch mit den anderen Substitiaten: es muss am besten als überschuss regenerativ verfügbar sein (Biogas, Ethanol, Elektrizität, BioDiesel, Holzvergasung...). Wäre doch echt unpraktisch zu verhungern, auch wenn es das eigene Mobilitätsproblem erübrigt. ;)
+1 Punkt
Beantwortet 12, Nov 2014 von Jörg Tuguntke (1,368 Punkte)
Meine ganz persönliche Einstellung zu diesem Thema:

Solange irgendwo auf der Welt ein Mensch verhungert, sollten Nahrungsmittel nicht "verheizt" werden.

mfg  tugu
Kommentiert 13, Nov 2014 von Michael Stöhr (1,180 Punkte)
Dem stimme ich fast zu, jedoch nicht ganz. Es ist immer noch besser, Nahrungsmittel energetisch zu nutzen, als sie verrotten zu lassen. Das erste Gebot in Europa ist, die Menge weggeworfener Nahrungsmittel zu verringern. Die Wegwerfquote von 50% ist ein Skandal.
Kommentiert 13, Nov 2014 von Jörg Tuguntke (1,368 Punkte)
Das ist NATÜRLICH die Grundvoraussetzung (also Lebensmittel nicht zu vernichten), gleiches gilt bei Energie. Die preiswerteste Energie ist die Eingesparte.
Aber so lange "irgendwer" Vorschriften über das Aussehen, Form, Maße,...... von Naturprodukten erlässt, wird eben schon eine Menge bei der Ernte "entsorgt".

mfg  tugu
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Beantwortet 14, Nov 2014 von Thomas Seltmann (462 Punkte)

Es gibt auch Konzepte, bei denen Tank nicht mit Teller konkurriert, sondern landwirtschaftlich nicht nutzbar Fläche wieder kultivierbar gemacht werden kann: Pflanzenöl aus der Wüste. Die "Desertifikation" (Wüstenausbreitung) ist eines der größten und unterschätzen Umweltprobleme weltweit. Man kann Ölpflanzen so anbauen, dass dem entgegengewirkt wird:

http://www.heise.de/tp/artikel/33/33032/1.html

Kommentiert 14, Nov 2014 von Michael Stöhr (1,180 Punkte)
Auch der Einsatz von Jatropha-Öl als Kraftstoff in Traktoren wurde im EU-Forschungsprojekt 2ndVegOil erfolgreich getestet.
www.2ndvegoil.eu
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