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Die Bedeutung von dezentralen PV-Systemen für die deutsche Energiewende

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Eingestellt 19, Mär 2015 in Photovoltaik von Volker Quaschning (644 Punkte)
Bearbeitet 19, Mai 2015 von Volker Quaschning

Hier der Vortrag auf Video:

Durch die politischen Eingriffe der deutschen Bundesregierung ist der Photovoltaikzubau extrem eingebrochen. Während in den Jahren 2010 bis 2012 noch jeweils rund 7,5 GW installiert wurden, erreichte der Zubau im Jahr 2014 nicht einmal mehr die im novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) anvisierten 2,5 GW. Die Angabe des Wertes des Zielkorridors wird im EEG neuerdings durch den Zusatz „brutto“ ergänzt. Der Brutto-Zubau umfasst alle Neuanlagen, auch wenn diese ausgediente Altanlagen ersetzen. Für die Biomasse nennt das Gesetz Zielwerte für den jährlichen Zubau von 0,1 GW brutto und für die Onshore- Windkraft von 2,5 GW netto.
 
Zielkorridore im EEG ermöglichen keinen effektiven Klimaschutz
 
Mit den aktuell beschlossenen Zielen würde die in Deutschland installierte Photovoltaikleistung bis zum Jahr 2030 auf lediglich 70 GW ansteigen. Da die Anlagenlebensdauer in der Regel 20 Jahre beträgt, würden nach 2030 die Anlagen der Boomjahre 2010 bis 2012 wieder außer Betrieb gehen. In diesen Jahren wurden jeweils über 7 GW errichtet. Ein Zubau von 2,5 GW kann das nicht kompensieren. Dadurch würde die installierte Photovoltaikleistung langfristig wieder auf 50 GW schrumpfen. Noch verheerender ist der Entwicklungspfad bei der Biomasse. Von der derzeit installierten Leistung von rund 8 GW blieben langfristig nur noch 2 GW übrig.
Der Windkraftbranche ist es immerhin gelungen, die Zielwerte als Nettoangaben zu manifestieren. Dadurch kann der Rückbau von Anlagen durch weitere Neuanlagen kompensiert werden. Da ausgediente Altanlagen zusätzlich zu den 2,5 GW ersetzt werden dürfen, könnten die jährlichen Neuinstallationen im Jahr 2020 bereits 4 GW überschreiten und im Jahr 2040 sogar deutlich über 6 GW liegen. An Land wäre damit bis zum Jahr 2040 eine Gesamtleistung von gut 100 GW möglich. Bei der Offshore-Windkraft sollen bis zum Jahr 2030 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 15 GW errichtet werden. Aus heutiger Sicht erscheint es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass diese Ausbauwerte mit den aktuellen Rahmenbedingungen für die Windkraft erreicht werden können.
In Bild 1 wurde dennoch davon ausgegangen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien bei allen Technologien langfristig entlang der derzeitigen Zielkorridore des EEG erfolgt. Außerdem wurde unterstellt, dass der Stromverbrauch wie auch in den letzten 20 Jahren weiterhin ansteigt. Durch den Ausbau der Elektromobilität und von Wärmepumpenheizungen ist trotz größerer Effizienz im Strombereich ein sinkender Verbrauch wenig wahrscheinlich. Selbst bei einem ambitionierten Windenergieausbau lassen sich mit den Ausbauwerten der derzeitigen EEG-Zielkorridore für Deutschland weder die Klimaschutzziele noch die Ausbauziele für erneuerbare Energien der Bundesregierung für das Jahr 2050 erreichen.
 
Langfristig erfüllen die derzeitigen Zielkorridore damit nicht den Zweck des EEG, „im Inter-esse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen.“ Dazu müssen wir bis 2040 nahezu kohlendioxidneutral werden. Das ist nur erreichbar, wenn die bisherigen Zielvorgaben deutlich angehoben werden. Der Brutto-Zubau müsste dafür bei der Photovoltaik 10 GW, bei der Biomasse 0,7 GW und bei der Onshore- Windkraft 7 GW pro Jahr betragen. Das was bei der Windkraft an Land aus Akzeptanzgründen nicht realisierbar ist, müssten Offshore-Windkraft oder Photovoltaik zusätzlich kompensieren. Bild 2 zeigt die Entwicklung der Stromversorgung mit den optimierten Ausbaupfaden, die einen effektiven Klimaschutz berücksichtigen.
 
Ein derart schneller Ausbau der Photovoltaik würde allerdings bedeuten, dass bereits in rund 20 Jahren eine installierte Photovoltaikleistung von 200 GW in Deutschland erreicht wird. Das hätte signifikante Auswirkungen auf das Stromversorgungssystem. Bild 3 zeigt den Verlauf der Stromversorgung am 8. Juni 2014 in Deutschland bei einer installierten Leistung von rund 37 GW. Wären am gleichen Tag 200 GW an Photovoltaikleistung installiert gewesen, würde sich der Tagesverlauf signifikant verändern. Wie Bild 4 zeigt, käme es zu sehr hohen Überschüssen, die sich heute nur durch Abregelung von Anlagen beherrschen ließen.
 
Dezentrale Speicher ermöglichen eine installierte PV-Leistung von 200 GW
 
Möchte man die Überschüsse nutzbar machen und Abregelungen möglichst vermeiden, müssen tagsüber 500 GWh bei einer maximalen Überschussleistung von 70 GW anderweitig genutzt werden. Die Energiemenge entspricht mehr als dem Zehnfachen der Kapazität der heute in Deutschland in Betrieb befindlichen Pumpspeicherkraftwerke. Zentrale Speicher werden in absehbarer Zeit nur einen Teil der Energiemenge aufnehmen können. Langfristig stehen dann auch bei der Power-to-Gas Technologie große Speicherkapazitäten zur Verfü- gung, da hier das Gasnetz nutzbar gemacht werden kann. Während bei der zentralen Gas- Speicherung die Speicherkapazität mehr als ausreichend vorhanden ist, stellt die Leistung den Flaschenhals dar, da die installierte Spitzenleistung der Power-to-Gas-Anlagen einen wesentlichen Kostenfaktor ausmacht.
Die Potenziale der dezentralen Speicherlösungen lassen sich hingegen bereits sehr kurz- fristig erschließen. Neben stationären Batteriespeichern kommen mobile Batteriespeicher in Elektrofahrzeugen oder die Erzeugung von Trinkwarmwasser und Prozesswärme sowie die Raumtemperaturänderung in Gebäuden in Frage. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die ein- zelnen Potenziale im Privatbereich und Tabelle 2 im gewerblichen Bereich. Im gewerblichen Bereich wurde das Speichervermögen von Gebäuden durch Raumtemperaturänderung noch nicht berücksichtigt.
 
Bei einer Marktdurchdringung der verschiedenen Speicheroptionen von 50 % ergibt sich im privaten Bereich allein eine erschließbare dezentrale Speicherkapazität von über 380 GWh. Zusammen mit dem gewerblichen Bereich überschreiten die Speicherpotenziale die bei einer installierten Photovoltaikleistung von 200 GW maximal zu erwartenden Überschüsse. Die verfügbare Spitzenleistung wäre bereits bei deutlich geringerer Marktdurchdringung mehr als ausreichend. Werden mit einem ambitionierten Photovoltaikausbau auch die aufgeführten Speicherpotenziale erschlossen, lassen sich damit die resultierenden Überschüsse pro- blemlos nutzen.
 
Kostenvorteile durch dezentrale PV-Anlagen und Speicher erschließen
 
In der Neufassung des EEG favorisiert die Bundesregierung zunehmend Großanlagen, wo- bei deren Errichtung durch Ausschreibungen vergeben werden soll. Das Geschäft sollen künftig wieder verstärkt die Energiekonzerne und institutionelle Anbieter abwickeln. Viele Wirtschaftswissenschaftler befürworten diese Schritte, da die spezifischen Systemkosten bei größeren Anlagen niedriger ausfallen und damit angeblich geringere Stromgestehungs- kosten zu erzielen sind. Hierbei wird allerdings vernachlässigt, dass die Renditeerwartungen bei verschiedenen Anlagengrößen unterschiedlich ausfallen. Kleine Anlagen im Einfamilien- hausbereich lassen sich oft auch schon mit mageren Eigenkapitalrenditen zwischen 0 % und 4 % realisieren.
 
Aus Sicht privater Investoren sprechen eine hohe Sicherheit, der zunehmende Wunsch nach mehr Autarkie sowie sehr geringe Renditen bei herkömmlichen Geldanlagen für dezentrale Anlagen. Die Renditeerwartungen für Großanlagen sind hingegen deutlich größer, sodass sich die Stromgestehungskosten auch bei Berücksichtigung der niedrigen PV-Systemkosten im ähnlichen Bereich wie bei Kleinanlagen bewegen (Bild 5). Wer die Renditeerwartung von 2 % auf 6 % hochschraubt, muss dazu die spezifischen Investitionskosten um 25 % senken, um auf gleiche Stromgestehungskosten zu kommen. Für eine Rendite von 10 % ist sogar eine Kostensenkung um 40 % nötig. Damit verschwindet der Kostenunterschied zwischen Privatpersonen mit Kleinanlagen und Konzernen mit großen zentralen Kraftwerken schnell.
Noch größer ist der Einfluss variierender Zinssätze auf die Wirtschaftlichkeit von PV-Batterie- systemen. Hier dominiert der Zinssatz gegenüber anderen Einflussgrößeren wie den PV- Systemkosten oder der Einspeisevergütung (Bild 6). Während bei der betrachteten Referenzsituation und einem Zinssatz von 4 % Preise für Batteriespeichersysteme von unter 1160 €/kWh zur Wirtschaftlichkeit erforderlich sind, lässt sich diese ohne Renditeerwartung bereits bei Systempreisen von unter 2070 €/kWh erzielen. Da erste am Markt erhältliche Systeme diese Preisschwelle unterschritten haben, sollte ein wirtschaftlicher Betrieb von PV- Batteriesystemen ohne Renditeerwartung bereits heute möglich sein. Um eine große Marktdurchdringung zu erreichen, müssen allerdings Preise von unter 1160 €/kWh erreicht werden.
 
Einsatz dezentraler Speicher zur verbesserten Systemintegration der Photovoltaik
 
Weitere Vorteile von kleinen dezentralen PV-Anlagen liegen in der deutlich geringeren Netz- belastung. Kleinanlagen werden in der Regel auf Gebäuden installiert. Im Vergleich zu zen- tralen Großanlagen ist der Bedarf für den Netzausbau hier ungleich niedriger, da der Strom auch lokal verbraucht wird. Ein weiterer Vorteil liegt in der möglichen starken Begrenzung der maximalen Einspeiseleistung von PV-Systemen durch Batteriespeicher. Werden Batterien mit einer Speicherkapazität von 1 kWh/kWp installiert, liegen die Abregelungs- verluste selbst bei einer Einspeisebegrenzung von 0,4 kW pro kWp installierter PV-Leistung deutlich unter 10 % (Bild 7). Damit lassen sich PV-Systeme mit einer Gesamtleistung von deutlich über 100 GW in das Netz integrieren.
 
Diese Aspekte zeigen, dass dezentrale Anlagen für die erfolgreiche Umsetzung der Ener- giewende und des Klimaschutzes eine wichtige Bedeutung haben, ohne für höhere Kosten zu sorgen. Diese Erkenntnisse müssen in der nächsten Novellierung des EEG berücksichtigt werden, indem die Bedingungen für Kleinanlagen verbessert werden sowie die Einführung dezentraler Batteriespeicher vorangetrieben wird. Das Ausbauziel für die Photovoltaik muss dann auf mindestens 200 GW angehoben werden. Durch einen Ausstiegsplan aus der Braunkohlenutzung müssen dafür allerdings noch überflüssige Grundlastkapazitäten be- seitigt werden, sodass ausreichend Regelkapazitäten für eine nachhaltige Energieversor- gung geschaffen werden können (vgl. Bild 2).
 
500 000-Solarspeicher-Programm kann Batteriespeicher zur Wirtschaftlichkeit führen
 
Um die erforderlichen dezentralen Speicherkapazitäten erschließen zu können, muss der ambitionierte Photovoltaikausbau durch ein zielführendes Markteinführungsprogramm für Speicher begleitet werden. Der Brutto-Systempreis für Lithiumspeicher liegt derzeit im Mittel bei rund 2540 €/kWh nutzbarer Speicherkapazität [Kai14]. Um eine Wirtschaftlichkeit mit angemessenen Renditen auch ohne Förderung zu erreichen, muss der Systempreis auf 1160 €/kWh sinken [Wen14]. Bei einer angenommen Progress Ratio von 85 % müsste dazu die kumulierte Speicherkapazität um das 30-fache wachsen. Bislang wurden etwa 15 000 Batteriespeichersysteme in Deutschland installiert. Die mittlere nutzbare Speicherkapazität liegt dabei bei rund 6 kWh [Kai14]. Für das Erreichen der Wirtschaftlichkeitsgrenze wären damit etwa 450 000 Batteriesysteme mit einer Gesamtspeicherkapazität von 2,7 GWh erfor- derlich. Daher könnte ein 500 000-Solarspeicher-Programm in Deutschland oder Europa genügen, um die volle Wirtschaftlichkeit von dezentralen Speichersystemen zu erreichen. Möchten wir die dringend erforderlichen Klimaschutzziele in Deutschland nicht verfehlen, müssen wir alle daran arbeiten, dass die Ausbauziele der Photovoltaik angepasst werden und ein entsprechendes Speicherprogramm möglichst bald in die Realität umgesetzt wird.
nutzbare Batteriekapazität in kWh/kWp


http://experts.top50-solar.de/?qa=blob&qa_blobid=3032254889147011277

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PDF herunterladen: OTTI-Volker-Quaschning_dezentrale Speicher.pdf

   

1 Antwort

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Beantwortet 19, Mär 2015 von Geckler, Heinz (2,530 Punkte)

Hallo Herr Quaschning,

ich bin begeistert von Ihren Ausführungen. Was mich allerdings erschreckt ist besonders die Ausführung zum "Brutto-Zubau" bei PV-Anlagen. Dies hatte ich so bisher noch nirgends gehört bzw. erläutert bekommen. Diese Vorgabe im EEG darf zum Zeitpunkt des Ersatzes der alten PV-Anlagen aus den Boom-Jahren auf keinen Fall stehen bleiben. Das würde ja definitiv eine wesentliche Reduzierung der installierten PV-Leistung bedeuten.

Ich wünsche mir bereits seit langer Zeit, dass die Branchen der erneuerbaren Energieerzeuger eine gemeinsame Sprache sprechen und mit einer Stimme gegenüber der Politik auftreten. Nur so haben wir überhaupt eine Chance, die Energiewende im Sinne der Verbraucher zu gestalten. Schafft es die Politik, die Energiewende ( wie es momentan geschieht ) vorrangig wieder in die Hände der großen Energieversorger zu legen wird das große Potenzial verschenkt, das in wenigen Jahren besteht um die Energiekosten tatsächlich stabil zu halten oder sogar zu senken. Wird die Energiewende von den großen Energieversorgern weitergeführt wird Gewinnmaximierung wichtiger sein wie alles andere.

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