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Gaskraftwerke als Übergangstechnik für den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien

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Beantwortet 10, Nov 2014 von Wolf von Fabeck (279 Punkte)
Erneuerbare Energien aus Sonnen- und WindStrom haben das größte Wachstumspotential aller Erneuerbarer Energien in Deutschland, aber sie haben den großen Nachteil der Wetterabhängigkeit.

Kurzfristige Angebotsschwankungen wird man mit Pufferbatterien ausgleichen können. Langfristiges Wegbleiben von Wind und Sonne wird mehr Aufwand verursachen. Die vorsorgliche Speicherung von überschüssiger Wind- und Sonnenenergie verlangt erheblichen Platzbedarf für die Speicher oder das Speichermedium. Da es hier um eine hohe Speicherdichte, also ein vertretbar geringes Volumen geht, kommen chemische Speicherverfahren in die nähere Wahl: EE-Methanol - hergestellt aus atmosphärischem Kohlendioxid mit Hilfe von EE-Sttromüberschüssen (Power to Liquid) - wäre eine mögliche Lösung.
In Gasspeichern komprimiertes EE-Methan aus synthetischer Herstellung (Power to Gas) wäre eine andere Lösung, die häufig im Gespräch ist.

Zur Rückgewinnung der gespeicherten Energie aus dem EE-Methan benötigt man Kraftwerke, z.B. Gaskraftwerke. Diese existieren bereits heute, werden aber nicht mit synthetisch hergestellten EE-Methan, sondern mit Erdgas z.B. aus Russland angetrieben. Solche Kraftwerke könnten später leicht - wenn genügend synthetisches EE-Methan zur Verfügung steht - auch mit diesem EE-Methan angetrieben werden.
Gaskraftwerke werden also auch später im Zeitalter der Erneuerbaren Energien gebraucht. Sie sind deshalb eine akzeptable Übergangstechnik.

Ihr weiterer Vorteil im Zusammenhang mit der Energiewende besteht darin, dass sie rasch regelbar sind und deshalb ihren Betrieb problemlos unterbrechen können, wenn genügend Sonnen- und Windenergie angeboten werden.

Mehrfach war nun allerdings zu lesen, dass Gaskraftwerke im Wettbewerb mit Braunkohlekraftwerken aus dem Markt gedrängt würden und dass sich ihr Betrieb nicht mehr lohne. Die Betreiber von Gaskraftwerken verlangen deshalb bereits Stützungssubventionen.

Dieses Verlangen sollte zurückgewiesen werden. Stattdessen sollte man die eigentliche Ursache für die mangelnde Auslastung der Gaskraftwerke beseitigen.

Um diese Ursache geht es in den folgenden Überlegungen, die unter die Überschrift "Strommarktdesign" fallen.

Dazu muss man sich die Verhältnisse am Strommarkt vergegenwärtigen.

Es gibt unterschiedliche Strommärkte, den "Terminmarkt", an dem der Strom Monate im Voraus gehandelt wird und den "Spotmarkt", an dem der bis dahin nicht verkaufte Strom ausschließlich für den nächsten Tag gehandelt wird.
Solar- und Windstrom können nur am Spotmarkt angeboten werden, weil man ja Monate vorher am Terminmarkt noch gar nicht weiß, ob und wieviel Strom Sonne und Wind bringen werden.

An beiden Märkten entwickelt sich der Strompreis nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Je höher die Nachfrage im Verhältnis zum Angebot ist, desto höher steigt der Preis. Umgekehrt, je größer das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage ist, desto niedriger sinkt der Preis.

Am Spotmarkt kommt es inzwischen manchmal an sonnig-windigen Tagen zu einem Stromüberangebot und damit zu negativen Strompreisen. Wer dann am Spotmarkt Strom verkaufen will, bekommt für seinen Strom kein Geld, sondern er muss Geld dafür bezahlen, dass er Strom in das Stromnetz einspeisen darf. Dieses Geld bekommen dann diejenigen Verbraucher, die den Strom abnehmen, obwohl sie eigentlich bereits genug davon haben.
Findige Großverbraucher nutzen das aus, indem sie überschüssigen Strom "entsorgen", wie sie scherzeshalber sagen. So schalten zum Beispiel die Betreiber von stillgelegten Dampfkraftwerken zu Zeiten des negativen Strompreises ihre alten Kühlwasserpumpen ein, die dann das
Fluss- oder Hafenwasser umrühren. Oder die Betreiber von großen Kühlhäusern kühlen und lüften gleichzeitig usw.

Für Stromlieferanten wird es ungemütlich. Wer seinen Strom nicht beizeiten vorsorglich längst verkauft hat, andererseits aber sein Kraftwerk aus technischen Gründen nicht abstellen kann, der hat Pech.
Der muss dann für jede Kilowattstunde, die er ins öffentliche Netz einspeist, noch Geld bezahlen.

Gaskraftwerke kann das nicht schrecken, denn sie lassen sich zu Stunden des Stromüberangebots rasch auf Null herunterregeln.

Braunkohlekraftwerke, die sich aus technischen Gründen nicht vollständig herunterregeln lassen, sehen deshalb zu, dass sie ihren Strom schon Monate vorher - nämlich am Terminmarkt - verkaufen.

Soweit die bisherigen Verhältnisse. Man könnte sie aber ändern:

Wenn die Braunkohlekraftwerke ihren Strom nicht am Terminmarkt verkaufen dürften, wären sie gezwungen, ihren Strom auf dem Spotmarkt zu verkaufen.
Dann würde sich dort an Tagen mit viel Sonne und Wind wegen des Stromüberangebots von Solar- und Windstrom ein negativer Strompreis ergeben.

Die Gaskraftwerke könnten das Draufzahlen vermeiden, indem sie in diesen Stunden ihre Stromeinspeisung rasch beenden. Die Braunkohlekraftwerke dagegen müssen wegen ihrer technischen Unflexibilität weiter einspeisen und müssten dann den negativen Strompreis bezahlen. Damit verlören sie ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Gaskraftwerken. Oder umgekehrt ausgedrückt: Die Gaskraftwerke würden endlich wettbewerbsfähig.

Doch die Braunkohlekraftwerke bieten - wie gesagt - ihren Strom eben nicht auf dem Spotmarkt an, sondern verkaufen ihn am Terminmarkt lange vor dem Lieferzeitpunkt, zu einer Zeit, in der noch niemand weiß, wie das Wetter wird. Die Tatsache, dass sie dann auch für die problematischen Stunden des Stromüberangebots gültige (Terminmarkt-)Kaufverträge vorlegen können, berechtigt sie zur Stromeinspeisung auch bei Stromüberangebot. Den negativen Strompreis am Spotmarkt brauchen sie deshalb nicht zu zahlen.

Der SFV schlägt deshalb vor, den Stromverkauf am Terminmarkt nicht mehr anzuerkennen, soweit es um die Frage geht, wer in das Stromnetz einspeisen darf. Die Regel muss heißen: "Spotmarkt only!"

Gaskraftwerke brauchen eine solche Regel nicht zu fürchten, denn sie können den negativen Strompreisen durch vorübergehendes Abregeln ihrer Stromerzeugung entkommen.

Diese Regelung würde sich auch wohltuend auf die EEG-Umlage auswirken; doch das soll später einmal erläutert werden.
Kommentiert 10, Nov 2014 von Geckler, Heinz (2,530 Punkte)
Hallo Wolf von Fabeck,
besten Dank für die ausführliche aber trotzdem verständliche Darstellung der Problematik mit unserem Strommarkt-Design. Obwohl ich von mir selbst behaupten möchte, dass ich schon recht gut informiert bin, bietet mir Ihre Darstellung weitere Argumente gegen die bekannten "Stammtischparolen". Bitte weiter so.
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