Hallo Hans-Josef,
wir müssen bei einer Studie wie dieser noch einem Einwand begegnen, der von Ökonomen an dieser Stelle in aller Regel erhoben wird: Die Arbeitsplätze entstünden nur, weil Energie aus erneuerbaren Quellen eben teurer wäre, also mehr Personaleinsatz erfordere, und darum stünde in anderen Wirtschaftsbereichen weniger Geld zur Verfügung, was dort zum Abbau von Arbeitsplätzen führe. In der Tat entstehen viele Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien zur Zeit, weil aktuell ein globaler Umbau der Energieversorgung stattfindet, was mit vielen Investitionen einhergeht. Was aber ist, wenn wir 100% erneuerbare Energieversorgung erreicht haben und nur noch Ersatzinvestitionen getätigt werden müssen, die dann zudem sehr billig sein werden? Müssen dann nicht wieder die meisten Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien abgebaut werden? Ziemlich sicher ja, aber unter dem Strich entstehen wahrscheinlich auch dauerhaft mehr Arbeitsplätze, wenn die Energieversorgung auf erneuerbaren Quellen basiert. Hierzu ist es hilfreich, einen genaueren Blick auf die Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur zu werfen, die der Umstieg auf erneuerbare Energien bringen kann und zumindest teilweise auch bringt:
- Die Energieversorgungsanlagen werden im Schnitt deutlich kleiner sein als heute, im Stromsektor räumlich sehr viel mehr verteilt (im Wärme- und Transportsektor sind sie es heute schon), und in der Hand einer sehr viel größeren Zahl an Akteuren liegen als heute.
- Arbeitsplätze entstehen dabei räumlich stärker verteilt, in einer größeren Zahl von im Schnitt kleineren Unternehmen (Handwerksunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe, KMU) als heute, wovon die meisten nicht unter dem Druck stehen, eine Eigenkapitalverzinsung von etwa 15% im Schitt ihrer Investitionen zu erzielen, wie z.B. börsennotierte Energieversorger (eine wunderschöne Steilvorlage bietet hier die Presseerklärung von EDF zur Gewährung der Subvention für das geplante Atomkraftwerk Hinkley Point C durch die britische Regierung; die erwartete Rendite wird dort ganz ungeniert genannt, die Subvention damit begründet). Die resultierende im Schnitt geringere Eigenkapitalverzinsung senkt die Kapitalkosten.
- Die in absehbarer Zeit deutlich geringeren Energiegestehungskosten für Energie aus erneuerbaren Quellen im Vergleich zu konventionellen, sind zu einem großen Teil auf die geringeren Kapitalkosten zurückzuführen, die aus der im Schnitt geringeren Eigenkapitalverzinsung resultieren, und natürlich auch auf die rapide sinkenden Produktionskosten, die dank besserer Produktionsverfahren und auf Grund von Skaleneffekten möglich sind.
- Beide Gründe für die sinkenden Energiegestehungskosten führen aber auch zu weniger Arbeitsplätzen: (1) Es steht weniger Geld aus Kapitaleinkommen zur Verfügung, das ausgegeben werden und in anderen Wirtschaftsbereichen Arbeitsplätze schaffen kann, und (2) die geringeren Produktionskosten für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien gehen auch mit weniger Personaleinsatz einher.
- Einkommen aus Arbeit und Kapital, und in der Folge Wohlstand, verteilen sich aber gleichmäßiger und auf eine viel größere Zahl an Akteuren. Einkommen aus Arbeit wächst, Einkommen aus Kapital sinkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei Menschen, die aktuell nicht berufstätig sind und nicht sein können, eine Tätigkeit aufnehmen, wächst - und damit die Wahrscheinlichkeit, dass erneuerbare Energien tatsächlich dauerhaft mehr Arbeitsplätze schaffen.
Mit sonnigen Grüßen, Michael