Nach Trumps Wahl schrieb Joschka Fischer in der Süddeutschen Zeitung: „Den Westen könnte es bald nicht mehr geben“. Ein Kommentar von Franz Alt
Mag sein, dass zu Trump, Orban, und Brexit im neuen Jahr noch eine starke AfD, Le Pen in Frankreich und eine rechtspopulistische Regierung in den Niederlanden dazu kommen. Im Moment scheint tatsächlich nichts unmöglich. Hielten wir noch vor drei Monaten Trump für möglich oder vorher den Brexit?
Noch vor seinem Amtsantritt betrachtet Trump die NATO für „obsolet“ und die EU für ein Auslaufmodell, Merkels Flüchtlingspolitik für eine „Katastrophe“ und die deutschen Autobauer sollen „Strafzölle“ in den USA zahlen. Vielleicht sollten wir Herrn Trump mal sagen, dass wir dann Strafzölle für US-Coca Cola in Deutschland einführen.
Das wäre zwar Unsinn, aber versteht dieser Nationalist noch etwas Anderes als Unsinn? In den USA sprechen schon einige von der Möglichkeit eines „Verfahrens zur Amtsenthebung“ gegen Donald Trump wie vor 20 Jahren gegen Bill Clinton wegen einer Affäre mit einer Praktikantin.
Joschka Fischer hat recht: Nichts anderes als die Nachkriegsordnung steht auf dem Spiel. Die Neo-Nationalisten sind weltweit auf dem Vormarsch. Ein erkennbar erstrebenswertes Ziel haben sie nirgendwo, aber sie drängen die Welt in eine gefährliche Vorkriegssituation, die an die unstabilen Verhältnisse zur Zeit der Weimarer Republik erinnert.
Die Lehre der Geschichte wird dabei verdrängt. Diese heißt: „Nationalismus bedeutet Krieg“. So hat es Winston Churchill in seiner berühmten Rede in Zürich 1946 kurz und richtig formuliert. Aus dieser Erkenntnis hatten wir in der Europäischen Union 70 Jahre Frieden und Wohlstand auf unserem zuvor so unfriedlichen, von Hass, Krieg, Rache, Elend, und Armut geplagten Kontinent.
Die Neo-Nationalisten tun heute so als sei Europa das Problem, doch Europa ist die Lösung. Europa ist gerade heute zum Sehnsuchtsort für Millionen Menschen in der ganzen Welt geworden und zum Beispiel dafür, dass 500 Millionen Menschen friedlich zusammen leben können.
Ein solches Friedensprojekt hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Frieden ist möglich. Doch die Neo-Nationalisten sind zukunftsvergessen und vergangenheitsbesessen.
Trump will eine Mauer bauen, AfD-Politiker faseln vom Schießbefehl an den Grenzen und Herr Orban lässt in Ungarn Zäune errichten. Mauer, Schießbefehl, Zäune: Das hatten wir doch alles schon mal. Nur die seltsamen Wiedergeburten des Erich Honecker merken nicht wes Geistes Kind sie sind. Wer sich abschottet, wird auch ökonomisch bestraft. Offene Grenzen waren und sind die Voraussetzung für unseren Wohlstand.
Europa hat dann keine Zukunft, wenn wir unsere humanen und christlichen Wurzeln vergessen. Die EU braucht keine Abschottung, sondern eine Erweiterung um Russland – Brückenbauer statt Mauerbauer.
Zum kollektiven europäischen Gedächtnis gehört, sich daran zu erinnern, dass das russische Volk nach 1945 uns Deutschen -nach vielen Millionen Kriegstoten in der Sowjetunion - vergeben und verziehen hat. Das war das größte Wunder in Europa in den letzten 70 Jahren. Gerade jetzt in der Krise gilt es, dieses Wunder auszugestalten. Wir Europäer sollten Europa stärken und nicht schwächen – das große Thema für die Bundestagswahl 2017.