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Wieviel neue Energiespeicher braucht Deutschland für die Energiewende?

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Beantwortet 16, Sep 2014 von Nicole Münzinger (686 Punkte)

Zu diesem Thema gibt es eine interessante Studie der Agora Energiewende:

 
Folgendes sind die wichtigsten Ergebnisse:
 
 
1. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss nicht auf Stromspeicher warten
 
Mit dem Anteil an Erneuerbaren Energien steigt der Bedarf an Flexibilität im Stromsystem in Deutschland. Dieser Bedarf kann in den nächsten 10 bis 20 Jahren, das heißt bei einem Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von 40 bis 60 Prozent, durch andere Flexibilitätsoptionen kostengünstiger gedeckt werden als durch neue Stromspeicher. Insbesondere können steuerbare Kraftwerke in Zeiten von viel Wind und Sonne ausgeschaltet und in Zeiten von wenig Wind und Sonne benutzt werden. Zusammen mit dem stromgeführten Einsatz von KWK-Anlagen, Lastmanagement sowie dem Stromhandel mit dem Ausland, bietet diese Option in den nächsten 20 Jahren ausreichende kostengünstige Flexibilität für den Ausgleich von Erzeugung und Nachfrage. Investitionen in neue Stromspeicher für den Erzeugungsausgleich führen in diesem Zeithorizont aufgrund der nach wie vor relativ hohen Investitionskosten nur in einem äußerst begrenzten Maß zu einer Reduktion der Gesamtkosten des Stromversorgungssystems.
 
Bei sehr hohen Anteilen von Erneuerbaren Energien, auf jeden Fall bei 90 Prozent, wird eine vollständige Integration von Erneuerbaren Energien in das Stromsystem ohne neue Stromspeicher zunehmend schwierig. In dem in dieser Studie betrachtetem 90-Prozent-Szenario können etwa zehn Gigawatt an Stromspeichern einen Beitrag zu der Reduktion der Kosten für die Stromversorgung in Deutschland leisten. Die in Zukunft optimale Menge und Kombination an Stromspeichern wird insbesondere abhängig sein von den Investitionskosten für neue Speichersysteme, der Verfügbarkeit von alternativen Flexibilitätsoptionen (wie neuen flexiblen Stromverbrauchern) sowie der Art und Geschwindigkeit des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. 
 
2. Der Markt für neue Energiespeicher wird dynamisch wachsen
 
Neben dem Ausgleich der Erzeugung von Windkraft- und Solaranlagen entstehen zukünftig sowohl für Batterietechnologien als auch für Power-to-X (das heißt Power-to-Heat, Power-to-Gas, Power-to-Chemicals) bedeutende neue Märkte. Neben dem Einsatz von Wärmespeichern zur Flexibilisierung der KWK und für Power-to-Heat werden solche neuen Märkte insbesondere im Verkehrs- und Chemiesektor entstehen. Aufgrund der sinkenden Kosten der entsprechenden Speichertechnologien wird der Ersatz von fossilen Rohstoffen durch Strom aus Windkraft- und Solaranlagen in diesen Sektoren in Zukunft zunehmend attraktiv.
 
In welcher Geschwindigkeit und Reihenfolge sich diese Märkte entwickeln, ist aus heutiger Sicht nicht eindeutig und hängt unter anderem von der Ambition ab, mit der die Ziele für Erneuerbaren Energien jenseits des Stromsektors verfolgt werden. Langfristig können jedoch neue Energiespeicher aus anderen Sektoren wie Wärme, Verkehr, Chemie mit installierten Leistungen in Dimensionen von über 100 Gigawatt das deutsche Stromsystem prägen. In Abhängigkeit von zukünftigen Rahmenbedingungen und möglichen Präferenzen für eine möglichst hohe Selbstversorgung kann zusätzlich ein Markt für Batteriespeicher zur Optimierung des Eigenverbrauchs bei allen Verbrauchergruppen – Industrie, Gewerbe und Haushalte – entstehen. Zukünftige Regulierungen sollten diesen neuen Markt ermöglichen und gleichzeitig verhindern, dass neue Batteriespeicher sich über eine Vermeidung von notwendigen Gemeinkosten refinanzieren.
 
Alle neuen Energiespeicher können neben ihrem primären Anwendungsbereich als Zusatznutzen Flexibilität im Stromsektor bereitstellen. Um diese Flexibilität mittel- bis langfristig zu erschließen, sollten bestehende und zukünftige Forschung und Entwicklung sowie Marktanreizprogramme auf eine systemunterstützende Integration ausgerichtet werden.
 
3. Speicher müssen gleichberechtigten Zugang zu Märkten für Flexibilität erhalten
 
Durch den sinkenden Beitrag der steuerbaren Kraftwerke zur Stromerzeugung wird es in Zukunft wichtiger, dass auch die anderen Flexibilitätsoptionen inklusive Speicher einen Beitrag zum Ausgleich von Stromerzeugung
und –nachfrage leisten. Schon heute können Speicher einige Systemdienstleistungen kosteneffizient erbringen.
Aufgrund ihrer Fähigkeit zur schnellen Reaktion werden beispielsweise Batteriespeicher am Markt für Primärenergie eingesetzt. Grundsätzlich können Speicher auch zur Versorgungssicherheit in einzelnen Stunden beitragen, sofern zum Zeitpunkt des Einsatzes hinreichend Energie gespeichert ist.
 
Um einen möglichst freien und technologieoffenen Wettbewerb zu ermöglichen, gilt es sicherzustellen, dass Speicher
gleichberechtigt mit anderen Flexibilitätsoptionen an den Märkten für Systemdienstleistungen sowie an einem möglichen zukünftigen Kapazitätsmarkt teilnehmen können.
 
4. Im Verteilnetz sollten Speicher ein Element im Baukasten der Netzbetreiber werden
 
Durch neue Windkraft- und Solaranlagen können Anpassungen auf Ebene der Verteilnetze erforderlich werden. Neben dem Ausbau der Netze können dabei auch Batteriespeicher sowie eine Abregelung von Erzeugungsspitzen der Erneuerbaren Energien in Betracht gezogen werden. Auf Ebene der Niederspannungsnetze kann in speziellen Fällen eine Kombination aus Batteriespeichern und/ oder Abregelung von Erzeugungsspitzen kostenoptimal sein. Um die Verteilnetzbetreiber zu befähigen, die Kosten für den Netzausbau zu minimieren, sollte ein Einsatz von Speichern zur dauerhaften oder zeitweisen Vermeidung von Netzausbau in der Niederspannungsebene ermöglicht werden. Dabei ist eine fallspezifische Betrachtung unerlässlich. 
 
Batteriespeicher zur Optimierung des Eigenverbrauchs in Kombination mit Solaranlagen können bei einem netzdienlichen Einsatz zudem eine entlastende Wirkung auf das Verteilnetz haben. Durch geeignete Auslegung und Parametrierung ist solch ein Einsatz auch ohne Investitionen in Kommunikationstechnik möglich.
 
Auf Ebene der Mittelspannungs- und Hochspannungsnetze ist der Einsatz von Batteriespeichern hingegen keine
kosteneffiziente Lösung, um Netzausbau zu vermeiden.
Hierfür wären sehr große Energiespeichermengen erforderlich, für welche die Investitionskosten die Kosten des
Netzausbaus in allen untersuchten Fällen weit übersteigen. 
 
Die Ergebnisse sind robust, geben aber auch Hinweise auf künftigen Forschungsbedarf
 
Wie in allen Modellen haben die getroffenen Annahmen einen großen Einfluss auf die Ergebnisse. Die Szenarien in dieser Studie wurden intensiv diskutiert und durch Sensitivitätsanalysen ergänzt. Der Schwerpunkt wurde dabei auf die Betrachtung einer wahrscheinlichen Zukunft gelegt: Ein europäisch vernetzter Strommarkt mit moderatem Ausbau der Grenzkuppelstellen und anderer Flexibilitätsoptionen (insbesondere Gaskraftwerke und Demand-Side-Management) sowie ein deutlicher, aber im Vergleich zu Deutschland verzögerter Ausbau der Erneuerbaren Energien in den Nachbarländern wurde dabei unterstellt.
 
Eine viel diskutierte Annahme dieser Studie ist der verzögerungsfreie Netzausbau innerhalb Deutschlands. Die
Ergebnisse aus anderen Studien (zum Beispiel die Optimierungs-Studie von Agora Energiewende 2013 beziehungsweise die Roadmap Speicher von Fraunhofer IWES/IAEW/SUER 2014) zeigen jedoch, dass Verzögerungen im Netzausbau um mehrere Jahre keinen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse haben. Auch ein verzögerter Netzausbau ändert somit nichts grundsätzlich an dem Ergebnis, dass der bei bis zu 60 Prozent Erneuerbaren Energien entstehende Flexibilitätsbedarf des Stromsystems durch andere Flexibilitätsoptionen kostengünstiger gedeckt werden kann als durch neue Stromspeicher. Noch zu ermitteln ist hingegen das langfristige Optimum zwischen innerdeutschem Netzausbau und anderen Flexibilitätsoptionen, da der „Netzausbau bis zur letzten kWh“ teurer ist als ein optimaler Mix aller Flexibilitätsoptionen und aufgrund von fehlender Akzeptanz ein vollständiger Netzausbau eventuell nicht oder nur verzögert umgesetzt werden kann.
 
In dieser Studie nicht betrachtet wurden zudem Szenarien, in denen die Erneuerbaren Energien in Deutschland oder
Europa sehr viel schneller als erwartet ausgebaut werden, zum Beispiel im Fall eines Durchbruchs der Photovoltaiktechnologie, oder in denen kostengünstige Flexibilitätsoptionen wie Netzausbau, der Bau neuer Gasturbinen oder Lastmanagement auch langfristig nicht erschlossen werden. Ebenfalls nicht betrachtet wurden die Effekte von sehr großen Mengen an Energiespeichern in anderen Sektoren auf das Stromsystem. Die Ergebnisse der entsprechenden Marktbetrachtungen zeigen, dass insbesondere hier weiterer Forschungsbedarf besteht.

 

Die gesamte Studie finden Sie unter:

www.agora-energiewende.de/fileadmin/downloads/publikationen/Studien/Speicher_in_der_Energiewende/Agora_Speicherstudie_Web.pdf

Kommentiert 19, Sep 2014 von Ivonne Gugel (411 Punkte)
Laut Eurosolar, die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien, geht diese Studie von falschen Voraussetzungen aus, nämlich von einem massiven Ausbau der Übertragungsnetze. Nicht verwunderlich, denn zu den Unterstützern der Studie zählt wohl auch der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH. Hier ein Link zum kritischen Artikel von Eurosolar: http://www.eurosolar.de/de/index.php/medien-mainmenu-53/pressemitteilungen-mainmenu-16/1883-eurosolar-agora-untersuchung-basiert-auf-umstrittenem-bedarfsplan-und-ist-daher-keine-antwort-auf-die-aktuelle-frage-ob-speicher-den-ueberzogenen-uebertragungsnetzausbau-vermeiden-koennen
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