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WAS KÜMMERT MICH DIE RESILIENZ VON MORGEN

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Eingestellt 4, Aug 2015 in Energiewende von Matthias Hüttmann (208 Punkte)

Die komplexen Zusammenhänge im Zuge der Energiewende zu begreifen maßen sich die wenigsten an. Trotzdem, oder gerade deshalb, bietet das Thema eine ideale Spielwiese für Politik und Interessenvertreter. Auch die Rahmenbedingungen passen dafür. Vielen von uns geht es sehr gut, Veränderungen sind momentan so unerwünscht wie selten zuvor. Die große Koalition, eigentlich eine unbeliebte Konstellation, wird dankbar angenommen. Skandale prallen ab und Reformwillen wird nicht eingefordert.
So gab es erst kürzlich eine große angelegte Kampagne, die mutmaßte dass die Energiewende scheitern werde, würde man weitermachen mit „Subventionen und Begünstigungen für willkürlich ausgewählte Technologien“. Man müsse sich vielmehr um Marktwirtschaft und Wettbewerb zwischen den Erneuerbaren Energien kümmern, am besten sollte man einfach das EEG abschaffen. Das ist weder schlüssig und auch keine Lösung, nichts weiter als Populismus. Die Marktwirtschaft ist nun mal kein geeignetes Instrument für diese gesellschaftliche Aufgabe. Und das EEG? Das hat sich längst zu einer Beschäftigungsmaßnahme für Juristen entwickelt, es erfüllt seine Aufgabe, das Abbremsen der Energiewende bereits sehr gut.

Mia san mia - der Teufel verrennt sich im Detail
Dem Volk nach dem Maul reden war schon immer eine erfolgversprechende Strategie der Politik. Mit der unübersichtlichen Energiewende und ihren zwangsläufigen Umwälzungen lässt sich gut arbeiten. Man muss dazu nur einen Teilbereich isoliert betrachten und das Ganze mit Regionalpatriotismus und einer Prise Angst vermischen. Schon hat man die Meinungshoheit auf Stammtischniveau erklommen.
Es liegt zwar in der Natur der Sache, bzw. der Personen, dass es bei Mandatsträgern oft an Verständnis für technische Details fehlt. Wenn aber Ministerien Entscheidungen vor allem im Austausch mit der Industrie treffen und Ansichten und Meinungen von Umfrage-Instituten ableiten, dann fehlt es am notwendigen breiten Dialog. Es ist nicht Aufgabe der Politik das große Ganze kleinzureden und Details zu diskutieren, sondern vielmehr die Chance zu nutzen einen breiten gesellschaftlichen Konsens anzustreben.
Bei der Energiewende geht es ausnahmsweise nicht um regionale Interessen, sondern um langfristige, zukunftsweisende Entscheidungen.

 
Kuhhandel statt Kompetenz
Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen verstärkt sich der Eindruck, dass es am grundlegenden Verständnis der Problematik mangelt. Müssen denn alle Entscheidungen aus Koalitionsverträgen hervorgehen und in erster Linie politische Kompromisse sein?
Wohl kaum, aber so lange wir uns Sachverstand vortäuschen lassen und glauben das gordische Knoten auf Gipfeln der Fraktionsspitzen gelöst werden können, wird es so weitergehen. Trassenverläufe werden mit Zwischenlagerstandorten verknüpft und halbherzige Beschlüsse beim Abbau von emissionsintensiver Energie in einen Topf mit Umlagebefreiungen geworfen. Haben wir Volksvertreter und Interessensvertreter gewählt, die es schon als Erfolg ansehen, bis Ende des Jahrhunderts, wenn keiner mehr von ihnen mehr lebt, auf fossile Energien zu verzichten?

Alles hängt voneinander ab
Unter Resilienz versteht man die Fähigkeit eines Systems, mit Veränderungen umgehen zu können. In den Ingenieurwissenschaften definiert Resilienz die Fähigkeit von Systemen bei einem Teil­ausfall nicht vollständig zu versagen. Dass das im Fall der Energieversorgung kein abstraktes Szenario darstellt zeigen zwei ältere Studien der Bundeswehr1) und der Bundesregierung2). Darin wird ein Stromausfall schlichtweg als Auslöser einer nationalen Katastrophe betrachtet. Dies verdeutlicht die Verantwortung der Energiewende, nicht nur für Strom aus Erneuerbaren, sondern auch aus selbstregelnden dezentralen Quellen zu sorgen. Ob beispielsweise zentrale Stromautobahnen hier den richtigen Weg darstellen ist durchaus zu hinterfragen. Das Vernetzen dezentraler erneuerbarer Quellen wäre eine intelligente Lösung.
Auch wenn es niemanden beruhigen wird, ein Blackout wird alle treffen, Partei- und Firmenzentralen wie auch Eigenheimbesitzer und Mieter. Beim Blackout sind alle gleich, gleicher als vor Gericht und auf hoher See.

Runder Tisch?
Um aus dem Dilemma herauszukommen, bedarf es einer Initiative die alle Interessen an einen Tisch zusammenbringt. Um die Politik zumindest in diesem Feld von der Wirtschaft zu entkoppeln und einen nachhaltigen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen, sollte die parlamentarische Kultur ehrlich gelebt werden und so konstruktiv wie möglich diskutiert werden. Interessenvertreter aller Couleur müssen verstehen lernen, dass es nicht darum gehen kann Einzelinteressen durchzusetzen. Scheindebatten wie so mancher Energiedialog sind damit allerdings nicht gemeint. Die Energiewende ist nur als Gemeinschaftsprojekt zu stemmen.

Erschienen in der aktuellen Ausgabe von Sonnenenergie


   

1 Antwort

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Beantwortet 4, Aug 2015 von Jörg Tuguntke (1,368 Punkte)

Moin, moin,


Politik und Ehrlichkeit sind aber zwei Begriffe, die nicht (mehr) zusammen passen.

Und wenn ich ALLE Interessen an einem Tisch zusammen bringe, ist die Wirtschaft ja wieder vertreten und die Entkoppelung aufgehoben.

Fakt ist doch, daß politische Entscheidungen von Leuten getroffen werden, die z.T. keine Ahnung haben um was es geht. So sitzen diese Leute auf "Posten" die gerade frei waren, obwohl sie von der Materie noch nie gehört haben und sich auch nicht dafür interessieren. Interesse hat (nicht bei ALLEN) nur eine gute Presse und das nächste Wahlergebnis.

Selbst der letzte Respekt vor den politischen "Andersdenkenden" (das Wort Gegner habe ich absichtlich nicht eingesetzt) und vor allen Wählern ist doch mitlerweile zugunsten des parteiinternen Lobbyismus verschollen.

DAS ist das Bild, welches uns unsere Politiker täglich in den Medien zeigen.

mfg  tugu

Kommentiert 5, Aug 2015 von Matthias Hüttmann (208 Punkte)
Moin Herr Tuguntke,

das wir in der Politik wenig Fachkompetenzen haben, ist leider völlig richtig. Aber es ist  auch so, dass die Macht vom Volk ausgehen soll und die Politik keine eigene Klasse darstellen, sondern vielmehr Volkvertreter sind. Die Politik selbst ist per Definition die Ausübung von Macht, Herrschaft und Führung. Die Wirtschaft als Interessenvertreter ist ebenso unabdingbar in einen solchen Entscheidungsprozess mit einzubinden.

Für solche grundsätzlichen Weichenstellungen sind beide allein jedoch nicht fähig, da hier bekanntlicherweise meist kurzfristiges Denken als Grundlage von Entscheidungen dient.

Aus diesem Grunde sollten sich alle relevanten Gruppen zusammensetzen, neben der Politik und der Wirtschaft sind das viele, die ich jetzt gar nicht aufzählen möchte. Es gilt einen gesellschaftlichen Konsenz herzustellen, den alle "unterschreiben" können und der logischerweise aus vielen Kompromissen besteht. Der Ausgang solcher Dialoge ist offen.

Energiedialoge, die von der Politik initiiert werden, sind nur eine Scheindemokratie.
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