Könnte es die Akzeptanz der Energiewende erhöhen, wenn man einen Teil der EEG-Umlage aus der Stromrechnung der Kunden herausnimmt und über einen „Energiewendefonds“ finanziert? Über diese Frage wurde am 5. November 2014 bei einem Fachgespräch der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen diskutiert. Es zeigte sich, dass das Fonds-Konzept mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringen würde, gerade unter dem Aspekt der Gerechtigkeit, der für dieses Konzept geltend gemacht wird.
Der Vorschlag
Grünen-Politiker haben seit Anfang des Jahres ein solches Fonds-Modell vorgestellt, so zum Beispiel in einem Gastbeitrag von Anton Hofreiter und Oliver Krischer auf „Zeit-online“ am 9. Mai 2014 unter dem Titel „Lasst die Preise sinken!“
Das Problem, das sie darin für die Akzeptanz der Energiewende ausmachen, liegt in dem „Energiewende-Paradoxon“, wonach die EEG-Umlage umso stärker steigt, je mehr der Börsenpreis für Strom am Spotmarkt sinkt (weil die Stromkunden die Differenz zwischen diesem Börsenpreis und der garantierten Einspeisevergütung als EEG-Umlage bezahlen). Das Fonds-Modell geht dieses Paradoxon aber nicht über die Bildungslogik der Börsenpreise (etwa durch Änderungen am Strommarkt-Design) oder über eine Änderung des „Wälzmechanismus“ an. Sondern man definiert die Teile der EEG-Umlage, die für ältere Photovoltaik-Anlagen aufgebracht werden, zu „Entwicklungskosten“ um, die aus der Finanzierung via Strompreis herauszunehmen wären. Denn auch für andere Technologien (z.B. Atomenergie) seien diese Kosten nie in der Stromrechnung eingepreist, vielmehr aus Steuermitteln aufgebracht worden. Die EEG-Umlage soll auf diese Weise um ca. 2 Cent pro kWh sinken können.
In dem Modell von Krischer und Hofreiter soll der Fonds vom Kapitalmarkt gespeist werden: Zehnjährige Anleihen mit marktüblicher Rendite sollen ausgegeben werden. Die Zinsen (und, auch wenn dies nicht gesagt wird, auch die Rückzahlungen) sollen aus drei Quellen gespeist werden: „Erstens durch den Anteil der Stromsteuer, der im Strommix auf die erneuerbaren Energien entfällt […]. Zweitens durch eine Abgabe auf die Stromerzeugung aus abgeschriebenen Erneuerbare-Energien-Anlagen. Und drittens durch Einnahmen aus dem Emissionshandel, dessen Finanzaufkommen durch einen CO2-Mindestpreis erhöht werden sollte.“ Wenn man von der prinzipiellen Untauglichkeit, ja Schädlichkeit, des Emissionshandels einmal absieht, wird der Fonds also entweder aus Geldern finanziert, die bisher anderen gesellschaftlichen Aufgaben zuflossen (die Stromsteuer z.B. dem Rentensystem), oder aber durch eine nachträgliche Bestrafung der Pioniere der Energiewende. Letzteres stellt das verblüffende Phänomen dar, dass eine Partei vor allem ihr eigenes Stammwähler-Klientel zur Kasse bittet.
Die Vorträge
Im Schatten des Berliner Reichstagsgebäudes trafen sich vielleicht 60 interessierte Fachleute, um über die Idee eines Energiewendefonds zu diskutieren. Zunächst trugen Alexander Müller und Patrick Matschoss vom Potsdamer „Institute for Advanced Sustainability Studies“ (IASS) Grundsätzliches zur Fonds-Idee vor. Müller verortete diese Idee in einem Dreieck aus Energie, Klimaschutz und Generationengerechtigkeit, bevor Matschoss alternative Prinzipien der fondsgenerierten Reduzierung der EEG-Umlage erörterte (Herausnahme der Bestandsanlagen; Deckelung der Umlage-Höhe; Deckelung der Vergütungshöhe). Außerdem projizierte Matschoss Diagramme über den Finanzbedarf eines Fonds bis zur Mitte des Jahrhunderts (anfangs ca. 8 Mrd. € pro Jahr, später ca. 1 Mrd. €).
Uwe Nestle vom Thinktank EnKliP (Energie- und Klimapolitik / Beratung) aus Kiel gab anschließend eine skeptischere Einschätzung der Fonds-Idee kund. Er stellte bereits die Grundprämisse der Idee infrage: Dass es unter ökologischen Aspekten angebracht sei zu fordern „Lasst die Preise sinken!“ Auf diese Weise könne der Energiewende-Säule der Effizienzsteigerung weiter das Wasser abgegraben werden. Nestle legte den Alternativ-Vorschlag vor, die EEG-Umlage künftig differenziert nach Altanlagen und Neuanlagen auszuweisen; dann lasse sich an der Stromrechnung jährlich ablesen, wieviel billiger die jeweils neu zugebauten Anlagen geworden seien.
Weitere Vorträge, die nun wiederum einen Energiewendefonds warm befürworteten, kamen von Niels-Sönnick Schnoor von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), und von Frederik Moch (DGB). Beide betonten besonders Aspekte der Gerechtigkeit, die durch einen Fonds verbessert werden könne. So summierte Schnoor die Gründe für eine Fondslösung in den drei Punkten: Entlastung der Verbraucher, gerechtere Lastenverteilung, gesamtgesellschaftlicher Herausforderungs-Charakter der Energiewende. Moch betonte die Notwendigkeit einer „sozialen Energiewende“. Das Problem einer „Stromarmut“ stand bei diesen Beiträgen im Raum.
Durchgängig war bei den Vorträgen nicht mehr von einer Speisung des Energiewendefonds durch den Kapitalmarkt die Rede. Vielmehr ging man von einer Steuerfinanzierung aus. Die Heranziehung abgeschriebener EE-Anlagen wurde aber mehrfach erneut gefordert, als Maßnahme der Gerechtigkeit angesichts der großzügigen Unterstützung der Anlagen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Dieser Gedanke wurde in den poetischen Begriff eines „Goldenen Endes“ gefasst.
Die Diskussion
Für eine allgemeine Diskussion blieb nach den Vorträgen nur eine halbe Stunde Zeit. Hier zeigte sich, dass wenig grundsätzliche Ablehnung des Fonds-Modells im Raum war, jedoch so viel Kritik an den Prämissen und Implikationen, dass in der Summe keine Unterstützung für diese Idee von dem Fachgespräch ausging. Für den SFV trug ich vier Ablehnungsgründe vor:
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Das Problem der Grundprämisse, die Stromrechnung müsse billiger werden – eine Prämisse, die nicht unbedingt ökologische Lenkungseffekte optimiert (hierauf hatte Nestle bereits hingewiesen).
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Das Problem der Vermeidung der besseren Lösung. Ein Akzeptanzproblem der Energiewende wird nicht aus der Förderhöhe erwachsen, sondern allenfalls aus der viel stärker gestiegenen EEG-Umlage. Dieses Problem ist besser durch ein energiewendegerechtes Strommarkt-Design zu lösen. Hier ginge es darum, den Terminmarkt für Strom, der de facto einen Einspeisevorrang für die problematischsten Kraftwerke (nämlich die Grundlast-Kraftwerke) bewirkt, abzuschaffen. Diese Maßnahme müsste durch eine CO2-Steuer flankiert werden, die aus Gründen des Klimaschutzes ohnehin überfällig ist. Beide Maßnahmen dürften den Preisverfall des Spotmarkt-Strompreises beenden, so dass die EEG-Umlage von selbst sinken würde, ohne den Kunstgriff eines Fonds.
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Das Problem der Bürokratisierung. Mit der Fonds-Verwaltung müsste eine weitere Struktur neben jener der Umlage-Verwaltung installiert werden, und die Zusammenarbeit zwischen beiden müsste geregelt werden.
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Das Problem der Finanzierung. Hier sprach ich nur den Punkt an, der allen im Raum stehenden Modellen gemeinsam war, nämlich das „Goldene Ende“. Eine solche Maßnahme wäre ein frustrierendes Signal für Menschen, die künftig an die Installation einer EE-Anlage denken und mit nachträglichen Beschneidungen ihrer langfristigen Gewinnerwartungen rechnen müssten. Ich brachte hier mit Blick auf die heutigen Anlagenbetreiber auch das Wort „Vertrauensschutz“ ins Spiel.
Anschließend wurde, vor allem von Alexander Müller, glaubhaft gemacht, ein solcher Vertrauensschutz bestehe im verfassungsrechtlichen Sinne nicht. Ich hatte den Begriff aber im moralischen Sinn und auch als psychologischen Faktor ins Spiel gebracht. Vor allem Vertreter des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) argumentierten ähnlich und dekonstruierten die Annahme, alle Betreiber von Photovoltaik-Anlagen würden mit der Einspeisevergütung 20 Jahre lang satte Gewinne einfahren.
Ein wichtiger Aspekt der Diskussion war die für einen Energiewende-Fonds in Stellung gebrachte Argumentation der sozialen Gerechtigkeit. Nestle hatte hier schon vielfältige Alternativen aus dem Bereich der Sozialpolitik ins Spiel gebracht (z.B. Unterstützung der Stromkosten im Rahmen des Wohngeldes). Das Fondsmodell entlastet schließlich alle privaten und gewerblichen Stromverbraucher – wenn man dieses Geld gezielt für die tatsächlich Not Leidenden einsetzte, könnte man viel größere Effekte erzielen.
Gerd Rosenkranz (AGORA) wies im Zusammenhang der Debatte um Stromarmut darauf hin, dass bei einer kaufkraftbezogenen Betrachtungsweise der Strompreis nicht so dramatisch sei, wie es in der gegenwärtigen Diskussion scheint. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer-Haushalt habe 1961 für 200 Kilowattstunden Strom etwa zehn Stunden arbeiten müssen; heute seien es nur noch dreieinhalb Stunden.
Rosenkranz trug noch einen weiteren Gedanken vor, der mir als sehr bedenkenswertes Argument gegen einen Energiewendefonds erscheint. Wir leben, führte er aus, in fast allem, was wir tun (Klimawandel, Atommüll, Staatsverschuldung) auf Kosten „unserer Kinder“. Beim EEG ist es einmal anders herum: Wir übernehmen einmal die Kosten für eine Entwicklung, deren Früchte unsere Kinder ernten werden. Mit einem Energiewende-Fonds würde von diesem Prinzip wieder abgegangen. Business as usual?
Fazit
Die Diskussionsteilnehmer waren sich darin einig, dass die Akzeptanzproblematik, gegen die man angehen will, bisher noch gar nicht aktuell ist; die letzten demoskopischen Umfragen zeigen wieder, wie felsenfest in Deutschland die Unterstützung für die Energiewende ist. In Ihrem Schlusswort ermunterte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden (ohne dies in einen Zusammenhang mit der Fonds-Diskussion zu bringen) dazu, das EEG als Erfolgsmodell zu „verkaufen“. Dem ist aus vollem Herzen zuzustimmen – aber ob ein so defensiver Vorschlag wie der Energiewendefonds, der auf eine selbst von der BILD-Zeitung nicht herbeizuschrei(b)ende Akzeptanzproblematik antworten will, das richtige Instrument für eine solche optimistische Botschaft ist, das muss sehr skeptisch betrachtet werden.
P.S.
Die Grünen haben inzwischen einen eigenen Bericht über das Fachgespräch veröffentlicht. Da hat man am Ende den Eindruck, dass die auf einer ganz anderen Veranstaltung waren ...