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Smart District Heating - Solare Wärmenetz in Dänemark

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Beantwortet 9, Jul 2014 von Klaus Oberzig (48 Punkte)

Intelligente Nahwärmelösungen sichern unseren Nachbarn niedrige Wärmekosten

Aus der Luft betrachtet lassen sich große Solaranlagen in Dänemark leicht mit den in Deutschland üblichen Photovoltaik-Parks verwechseln. Tatsächlich sind es solarthermische Kollektorfelder, die in großer Zahl am Rande von kleinen und mittleren Kommunen in der nordischen Sonne glänzen. Sie erzeugen Wärme und keinen Strom. Solarstromanlagen sind im Land der Windräder vergleichsweise selten, Solarthermieanlagen hingegen häufig. Sie sind meistens Teil von kommunalen Wärmenetzen, die in Dänemark als „Smart District Heating“ bezeichnet werden. Ihre Zahl liegt inzwischen bei über 400.

Bereits das Wörtchen „smart“ zeigt, dass unsere nördlichen Nachbarn sich etwas Kluges haben einfallen lassen, sowohl technisch, als auch ökonomisch. Die cleveren Wärmenetze arbeiten in der Regel mit Wärmepreisen von 5 Cent/kWh, ein für deutsche Verhältnisse unfassbar niedriges Niveau. Erreicht wird dies nicht durch neue oder gar revolutionäre Technologien, sondern einfach durch die kluge Kombination vorhandener Methoden der Energieerzeugung, vor allem großvolumiger multifunktionaler Wärmespeicher, die als zentrale Wärmesenke und Wärmemanager eine wirtschaftliche Optimierung der Stromproduktion und der Wärmeversorgung ermöglichen.

In Dänemark haben Wärmenetze eine Tradition, die bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückreicht. In kleinen und mittleren Gemeinden übernahmen zumeist Genossenschaften die Initiative und bauten die „Fjernvarme“, aber auch Kommunen stiegen in das Thema ein. Anfangs wurden die Wärmenetze ausschließlich mit fossilen Kesseln, später mit Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen in Form von Blockheizkraftwerken (BHKW) beheizt. Seit ihrem Einsatz fällt neben der Wärme auch Strom an. In der 90er Jahren wurden die Konzepte verändert, da hohe Steuern auf Erdgas diesen Brennstoff unattraktiver machten. Die genossenschaftlichen und kommunalen Betreiber reagierten flexibel und lösten sich vom Konzept monovalenter Anlagen. Sie ergänzten die BHKWs durch große Sonnenkollektorfelder, kombiniert mit Wärmespeichern, damals Stahltanks mit rund 2.000 m3 Volumen. Vor allem der steigende Anteil an Windstrom in der Stromversorgung Dänemarks war es, der seither zu einer veränderten Betriebsweise bei den BHKW-Anlagen führte. Durch den sinkenden Bedarf an konventionell erzeugtem Strom und die höhere Dynamik in der gesamten Stromerzeugung verlagern sich die BHKW-Betriebsstrategien weg von der Erzeugung möglichst hoher Strommengen mit langen Laufzeiten hin zu einem Betrieb zu Spitzenzeiten mit einer Teilnahme am Regelmarkt und an der Stromnetzstabilisierung. Die verkürzten Laufzeiten führen zugleich zu einer verminderten Wärmeproduktion, was in BHKW-versorgten Fernwärmenetzen den Einsatz von Solarwärme oder Energie aus anderen erneuerbaren Quellen zwingend macht.

Geschäft mit Regelenergie

Die flexible, meist stromgeführte Betriebsweise der BHKW-Anlagen kann durch einen großen Wärmespeicher verbessert werden, dem BHKW-Abwärme und solare Wärme jederzeit zugeführt und bei Bedarf wieder entnommen werden konnte. Kraft-Wärme-Koppelung und Solarthermie passen, sowohl wärmetechnisch wie wirtschaftlich, gut zusammen. Die BHKWs der Wärmenetze wurden zwar ins Geschäft mit der Regelenergie abgedrängt, aber durch die kluge Weiterentwicklung der Wärmenetze erzielen die Betreiber mit dem Stromverkauf am sogenannten Nordpool-Markt eine akzeptable Kompensation. Die verkürzten Laufzeiten der BHKW blieben also ohne wirtschaftlichen Nachteil. In Deutschland, wo Blockheizkraftwerke nach wie vor nur als monovalente Anlagen betrieben werden, betrachtet man die Stromseite gern als Grundlast und ist gezwungen, eine möglichst hohe Laufzeit, in der Regel über 4.000 Jahresstunden, zu erreichen. Kreative Antworten, wie die cleveren Wärmenetze in dänischen Kommunen, sind noch die Ausnahme.

Die dynamische Veränderung bei den Wärmenetzen, die als Teil des Zusammenwachsens von Strom- und Wärmeerzeugung angesehen werden kann, ist aber auch in Dänemark noch längst nicht abgeschlossen. Um höhere solare Deckungsbeiträge und niedrigere Wärmepreise zu erzielen, erweiterten die Genossenschaften ihre Wärmenetze seit der Jahrtausendwende um weitere Komponenten, nämlich um saisonale (ganzjährige) Erdbeckenwärmespeicher und Wärmepumpen. Dies war ein zweistufiges Speicherkonzept, das die Erträge aus der Solarwärme deutlich erweiterte.

Im Sommer ist es kein Problem, ein Wärmenetz bzw. den Speicher mit 90°C heißem Wasser solar zu beladen. Im Winter jedoch, wenn die meiste Wärme gebraucht wird, reicht die Solarwärme für eine direkte Versorgung nicht mehr aus. Die Lösung besteht darin, dass die Solaranlage schon im Sommer Überschüsse in den Saisonspeicher einspeist. Damit wird der Wärmepumpe eine höhere Quelltemperatur geliefert, was deren Betrieb wesentlich wirtschaftlicher macht. Zugleich kann für diesen Niedertemperaturspeicher, denn nichts anderes ist der Erdbeckenspeicher, auch in den restlichen Monaten des Jahres solare Wärme bis hinunter zu einer Temperatur von 30 bis 40 °C genutzt werden. Also das, was auch an Wintertagen bei diffusem Sonnenschein zu ernten ist. Dies bedeutet eine positive Spreizung des nutzbaren Temperaturbereiches und damit eine größere Ernte solarthermischer Energie. Die solaren Deckungsanteile an der gesamten jährlichen Wärmelieferung konnten in den erweiterten Wärmenetzen auf über 30 Prozent erhöht werden.

Saisonaler Wärmespeicher

Hatten die ersten Kollektorfelder eine Größe von 8.000 m2, so verfügen die neuesten heute über Flächen bis zu 30.000 m2 und mehr. Auch die Erdspeicherbecken wuchsen von anfangs 10.000 m3, auf ein Mehrfaches dieses Volumens. Bei ihnen hat sich als Bauform ein umgekehrter Pyramidenstumpf mit rechteckiger Grundfläche durchgesetzt. Die horizontalen Dimensionen eines solchen Beckens erreichen im Deckenbereich z. B. bei der Marstal Fjernvarme auf der Insel Aerö, über 113 mal 88 Meter und im Bodenbereich 48 mal 23 Meter. Die Höhe liegt bei rund 16 Meter. In der Mitte befindet sich der Be- und Entladeturm. Die Auskleidung der Speicherbaugrube besteht aus HDPE-Folien, die im Wand- und Bodenbereich auf einem Schutzvlies ausgelegt und verschweißt sind. Nach oben abgeschlossen sind die Speicherbauwerke mit einer schwimmenden und wärmegedämmten Abdeckung aus Polyethylenschaum mit Dämmstärken bis zu 240 mm. Die Wand- und Bodenbereiche blieben in der Regel ungedämmt.

Die gesamten Baukosten eines solchen Wärmespeichers wie in Marstal mit 75.000 m3 Fassungsvermögen, liegen vergleichsweise niedrig, sie betrugen nach Angaben der Marstal Fjernvarme knapp 3 Mio. Euro, was 40 Euro/m³ (ohne MwSt.) entspricht. Darin sind die Planungskosten und die notwendige Anlagentechnik in der Heizzentrale bereits enthalten, so die Genossenschaft.

Der große Tauchsieder

Und weil die Genossenschaften mit ihren Wärmenetzen es gelernt hatten, flexibel und pragmatisch zu wirtschaften, dauerte es nicht lange, bis sie überschüssigen Windstrom in Form von Wärme abspeicherten. Dieser kam bzw. kommt oftmals von befreundeten Genossenschaften oder Kommunalprojekten, die Windparks betreiben. Technisch geht dies höchst einfach, indem über elektrische Heizstäbe Wärme in die Speicher eingebracht wird. Also Power to Heat als weitere Optimierung der dezentralen Modelle auf der lokalen Ebene. Die Einbeziehung des Windstroms folgt der Logik, dass es für Windanlagenbesitzer allemal besser ist, dass Überschüsse in Wärme umgewandelt werden, als die Windräder abzuregeln. In Deutschland wird regelmäßig abgeregelt und die Anlagenbetreiber erhalten nach EEG eine Vergütung von 90 Prozent für diesen nicht erzeugten Strom.

Für einige Zeit war die Steuer auf Wärmepumpenstrom ein Hemmnis für die Nutzung des Windstromes für Heizzwecke. War der Strom für Elektroheizstäbe, die ja negative Regelenergie liefern, also bei viel Wind den Strom verheizen, steuerlich begünstigt, so galt das anfangs nicht für den Wärmepumpenstrom. Der dänische Gesetzgeber hat die Ungleichbehandlung beseitigt. Nun gelten für elektrische Heizstäbe wie Wärmepumpen reduzierte Steuersätze gleichermaßen. So kann mit diesem Anlagenkonzepte die Wärmepumpe die Wärme aus dem unteren, kälteren Teil eines Speichers in den oberen transferieren, während unten aus dem Kollektorfeld Solarwärme nachgeladen werden kann. Und wenn die Sonne nicht ausreichen sollte, kann mit Wind bzw. dem großen Tauchsieder, nachgeholfen werden.

Kommen wir noch einmal auf die bereits erwähnte Marstal Fjernvarme von der Insel Aerö zurück. Dort entschied die Genossenschaft, abgestimmt auf den Bau des großen Erdbeckenwärmespeichers die Kollektorfläche auf 33.400 m2 (entsprechend einer Nennleistung von 23,4 MWth) zu erweitern. Die Kosten lagen bei rund 175 Euro/m² (bodenaufgeständert montiert einschließlich feldinterner Verrohrung, ohne Mehrwertsteuer). Zudem wurde, um die regenerative Stromerzeugung auszuweiten, im Jahr 2012 ein Biomassekraftwerk mit Organic-Rankine-Cycle (ORC) zugebaut. Dabei handelt es sich um eine Technologie, mit der Wärme in Strom rückverwandelt werden kann. Der Biomassekessel liefert seine Wärmeleistung von 4 MW an einen mit Thermo-Öl betriebenen Zwischenkreislauf, der den ORC-Prozess antreibt. Dabei werden 750 kW Strom erzeugt und gleichzeitig 3,25 MW Wärme an den Wasserkreislauf des Wärmenetzes abgegeben. Die Marstal Fjernvarme hat damit ein System mit einer zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien basierenden Wärmeversorgung realisert.

Auch wenn das dänische Smart District Heating in Deutschland noch weitgehend unbekannt ist, zeigt es mögliche Entwicklungslinien auf. So existieren hierzulande bereits 800 Energiegenossenschaften, die hauptsächlich Stromerzeugung über PV- oder Windanlagen nach dem EEG betreiben. Da dies in nicht allzu fernen Zukunft auslaufen wird, müssten sie sich bereits heute nach Geschäftsmodellen umschauen, mit denen sie sich langfristig am Energiemarkt halten können. Das dänische Erfolgsmodell zeigt, wie man das Zusammenwachsen von Strom und Wärme erfolgreich in ein flexibles Gesamtsystem zur Strom- und Wärmeerzeugung umsetzen kann, mit dem lokale und genossenschaftlich organisierte Energieversorger zugleich auch an einem dynamischen Strom- und Regelenergiemarkt teilnehmen können. Für den Dachverband der deutschen Energiegenossenschaften, die im  Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V (DGRV) organisiert sind, ist das ein Weg, der auch hierzulande beschritten werden sollte.

In den Genossenschaften, die schon immer vom Selbsthilfegedanken geprägt waren, wachsen auf Basis der neuen intelligenten Energieerzeugung interessante unternehmerische Initiativen heran, welche die Wohnungs- und die Energiegenossenschaften näher zusammenführen. Im DGRV ist man überzeugt, dass beide Genossenschaftstypen sich in idealer Weise zu ergänzen.

KASTEN:

Energiegenossenschaften als neue Player in der Energiewirtschaft

Die Anzahl der Energiegenossenschaften ist in den vergangenen Jahren kontinuierliche angestiegen. Ihre Zahl liegt inzwischen bei rund 800. Neunzig Prozent, nämlich 718, wurden seit 2006 gegründet. In den Jahren 2012 und 2013, so die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V., sind die Gründungszahlen allerdings geringer als im jeweiligen Vorjahr ausgefallen. Immerhin wurden 2013 noch 129 Energiegenossenschaften neu eingetragen. 2012 waren es hingegen 150, 2011 sogar 167 Gründungen. Insgesamt haben die Energiegenossenschaften rund 1,5 Mrd. Euro in Erneuerbare Energien investiert.

Nachdem die Mehrzahl der Neugründungen in den Bau von Solar- oder Windparks investiert hatten und damit die Möglichkeiten des EEG ausnutzten, sei ein neuer Trend hin zur Wärmeproduktion zu beobachten, so Dr. Andreas Wieg, Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften in Berlin. Besonders bei der Nahwärme sei die Entwicklung positiv. Mit ihren Gemeinschaftsanlagen können die angeschlossenen Haushalte in einer Kommune kostengünstig mit Wärmeenergie versorgt werden. Etwa 150 Energiegenossenschaften sind in diesem Bereich inzwischen aktiv. Allein im Jahr 2013 sind 26 Nahwärmegenossenschaften hinzugekommen, so Wieg. In den vergangenen drei Jahren seien 70 Nahwärmenetze entstanden.

Vielfach unbekannt ist die lange Tradition nicht nur des Genossenschaftswesens in Deutschland; die ältesten Energiegenossenschaften können auf eine Geschichte von über 150 Jahren zurück blicken. Entstanden sind sie in der Regel im Zusammenhang mit dem Betrieb von Wasserkraftanlagen. Noch befinden sie sich im Schatten ihrer großen Geschwister, den Handelsgenossenschaften (z.B. Rewe, Edeka) und den Raiffeisen- und Volksbanken, aber auch den Wohnungsgenossenschaften. Die Energiegenossenschaften befinden sich zu mehr als 90 Prozent in der Hand von Privatpersonen. Die Beteiligung ist in einigen sogar mit Beträgen von unter 100 Euro möglich. Zwei Drittel der Energiegenossenschaften haben zwischen 50 und 200 Mitglieder.

Genossenschaften sind ein Zusammenschluss von natürlichen beziehungsweise juristischen Personen, deren Ziel der Erwerb oder die wirtschaftliche beziehungsweise soziale Förderung ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb ist. Sie zeichnen sich durch eine offene Mitgliederzahl aus, das heißt der Bestand der Genossenschaft ist unabhängig vom Aus- oder Beitritt der Mitglieder und ist körperschaftsteuerpflichtig. Im Inneren gilt das Prinzip ein Mann eine Stimme. Die Genossenschaft wird mit der Handelsgesellschaft gleichgestellt. Als Rechtsgrundlage gilt in Deutschland das Genossenschaftsgesetz (GenG) von 1889.

 

Kommentiert 27, Okt 2014 von Robert Wasser (48 Punkte)
Genossenschaften zur gemeinsamen Energieversorgung haben lange Tradition. In den USA haben sogenannte "Commons" einen Großteil der ländlichen dezentralen Stromversorgung aufgebaut, zum Grenzkostenpreis und damit deutlich günstiger als es durch den Staat möglich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang empfehle ich das Buch von Jeremy Rifkin : Die Null Grenzkosten Gesellschaft!
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