Jamaika ist möglich – sogar ökologisch. Die wahrscheinlich nächste Bundesregierung hat zwei Großprojekte, die ihr innerlich und äußerlich Zusammenhalt und Prestige einbringen können: Der rasche Kohleausstieg und die Elektromobilität. Ein Kommentar von Franz Alt
Die scheinbar heißen Eisen bergen in Wirklichkeit große Chancen für die vier beteiligten Parteien. Der einflussreiche Thinktank Agora Energiewende in Berlin hat soeben aufgezeigt, dass und wie ein rascher Kohleausstieg analog dem Atomausstieg 2011 organisiert werden könnte. Damals hat die schwarz-gelbe Bundesregierung konkrete Abschaltdaten für die einzelnen AKW ohne Entschädigung für die Betreiber festgelegt. Beim Kohleausstieg sei dafür nicht einmal ein Konsens mit den Betreibern nötig, so die Agora-Wissenschaftler.
Da viele Kohlekraftwerke bereits abgeschrieben seien, könnten die ersten Stilllegungen schon 2019 erfolgen. Anders freilich bei der noch schmutzigeren und besonders klimaschädlichen Braunkohle. Hier wären bei früheren Stilllegungen als bisher geplant Ausgleichszahlungen nötig. Wenn jedoch die nächste Bundesregierung die Klimaschutzziele der Vorgängerregierungen erreichen will, also 40% weniger CO2 bis 2020 gemessen an 1990, sei das vorzeitige Abschalten von Kohlekraftwerken und die Stilllegung von Braunkohletagebau unabdingbar. Für CDU und CSU als frühere Regierungsparteien auch eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Ein zweites grünes Prestige-Projekt könnte der rasche Umstieg auf E-Mobilität sein. Die FDP könnte damit ihrem Traum von rascher Digitalisierung näher kommen, die Grünen ihrem Ziel, ein Ende des Verbrennungsmotors zu erreichen und die CDU/CSU könnte an ihr früheres Versprechen anknüpfen, bis 2020 eine Million E-Autos auf deutsche Straßen zu bringen. Ein nahezu ideales gemeinsames Projekt für eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, der FDP und den Grünen.
FDP-Unterhändler Michael Theurer, Wirtschaftsexperte seiner Partei: „Die ökologisch-ökonomische Modernisierung muss mit konkreten Projekten beginnen, dann könnte Jamaika eine Zukunft haben“.
Ganz ähnlich der Verkehrsexperte der Grünen Oliver Krischer: „Mehr E-Mobilität ist für uns Grüne ein ganz zentrales Projekt“.
Auch die Union kann aus industriepolitischen Gründen nicht dagegen sein, dass die deutsche Automobilwirtschaft ihren Rückstand gegenüber der chinesischen und japanischen Konkurrenz aufholt – weisen doch CDU- und CSU- Politiker zurecht immer wieder darauf hin wie viele deutsche Arbeitsplätze am Auto hängen. Es geht dabei tatsächlich um den Industriestandort Deutschland. Mit diesem Argument könnten die Union und die FDP mit ihrer Nähe zur Industrie punkten. Alles passt also: Elektroautos versprechen sichere Jobs, eine digitale Zukunft und ökologische Modernität.
Wenn künftig viele Elektroautos mehr Strom brauchen, Ökostrom natürlich, dann können die Grünen auch mit guten Argumenten auf den rascheren Ausbau der erneuerbaren Energien drängen – wobei sie die Bundeskanzlerin auf ihrer Seite haben dürften, denn auch sie will ihren früheren Ruf der Klimakanzlerin wieder erlangen.
Lauter Chancen wo gestern noch unüberbrückbare Hürden gesehen wurden. Muss man auf so eine Einigkeit tatsächlich bis Weihnacht warten? Das geht auch früher – Hallelujah!