Vor mehr als 20 Jahren hatte VW-Chef Ferdinand Piech großsprecherisch angekündigt: „Wir bauen das Ein-Liter-Auto“. Der Konzern hat es tatsächlich gebaut. Das Stück steht noch heute im Museum in Wolfsburg – auf den Straßen ist es nicht zu sehen.
Neben diesem Museumstück habe ich vor einigen Jahren einen VW gesehen, der auf 100 Kilometer 100 Liter Sprit verbraucht. „Den kaufen die Scheichs“, sagte mir die damalige VW-Sprecherin. Auf meine Frage nach dem Spritverbrauch meinte sie: „100 Liter auf 100 Kilometer“. Also ein Liter pro Kilometer! Das Ein-LiterAuto der besonderen Art von VW!
Die bisherigen VW-Bosse gehören noch zur Autobauer-Generation, für die PS und Geschwindigkeit sowie der Verkauf möglichst vieler Spritfresser alles bedeutete. Ihr Motto: größer, schwerer, schneller. Piech ist 78 und Martin Winterkorn wird in wenigen Wochen 68. Unter ihrer Herrschaft hat Volkswagen Porsches für 100.000 Euro, Lamborghinis für 200.000 und Bentleys für 300.000 Euro bauen lassen.
Doch das Auto von morgen wird eher nach dem Motto konstruiert werden: kleiner, leichter, verbrauchsgünstiger, elektrisch. Diese Denke ist für die alten VW-Bosse noch fremd. Wie aber geht das alte Denken mit dem Anspruch von Volkswagen, Autos fürs Volk zu bauen, zusammen? Wie soll diese Schizophrenie zukunftsfähig werden?
Piech und Winterkorn haben schon lange angekündigt, bis 2018 die Größten der Welt werden zu wollen und Toyota vom Platz eins der Autobauer zu verdrängen. Doch nicht der Größte, sondern der Beste wird zukunftsfähig.
Die VW-Bosse haben bis heute nicht verinnerlicht, dass für junge Leute ein schnelles Internet wichtiger und prestigeträchtiger ist als ein großes Auto. Ebenso wenig wollen die VW-Chefs begreifen, dass Carsharing immer mehr Menschen erreicht. Wozu eine große Blechkiste, wenn diese dann 23 Stunden am Tag ungenutzt in der Gegend oder Garage herumsteht?
Elektromobilität ist in Wolfsburg zwar kein Fremdwort mehr, aber VW liegt damit weit hinter BMW und noch viel weiter hinter chinesischen, kalifornischen oder koreanischen Autobauern zurück.
Progressive Verkehrskonzepte aus Niedersachsen, in denen öffentliche Verkehrssysteme oder wenigstens das Elektro-Fahrrad neben dem Auto eine Rolle spielen? Fehlanzeige.
Die Anderen sind weiter! Tesla baut in Kalifornien längst ein attraktives E-Auto und immer bessere und preiswertere Batterien. Toyota setzt mit großem Erfolg auf Hybrid-Autos und Daimler auf Wasserstoff-Autos. Doch VW will um jeden Preis der größte Autobauer der Welt werden und verschläft über diesem Ziel die Zukunft. Das wird sich für den sogenannten Volkswagen und für seine 600.000 Beschäftigten noch rächen.
Machtkämpfe an der Spitze können rasch vorübergehen. Wer aber das Zukunftsauto verschläft, darf sich nicht wundern, wenn er morgen auch ökonomisch abgestraft wird. Ein wirklicher Neuanfang in der Nach-Piech-Zeit sieht anders aus. Wann entdeckt Volkswagen endlich das Volk und seine zukünftigen Mobilitätsbedürfnisse?