Da Teil 1 in diesem Expertenforum bereits soviel Resonanz hatte, habe ich mich entschlossen, den zweiten Teil des Artikels aus der SONNENENERGIE (DGS) ebenfalls nochmals hier separat zu veröffentlichen, jedoch mit weitaus mehr erhellenden Grafiken und Links als im Original der DGS Fachzeitschrift.
Teil 2: Die Attacke der Wirtschaftslobby INSM, Fukushima und die "Energiewende" der Bundesregierung
Im März 2011 kam es in Fukushima zur Kernschmelze. Zigtausende Menschen demonstrierten in Deutschland gegen die Laufzeitverlängerungspolitik der Regierung.
Plötzlich geschah Erstaunliches in den Zeitungen. Das ununterbrochene Dauermantra „Ökostromförderung und Wildwuchs von PV-Anlagen lässt Strompreise explodieren“ verstummte im März augenblicklich. Keine Zeile mehr zu explodierenden Strompreisen. Es herrschte regelrechte PV-Bashing Friedhofsruhe.
Wurden denn weniger Solaranlagen zugebaut? NEIN! im Gegenteil! Die Branche erfuhr einen deutlichen Nachfrageschub. War die Vergütungshöhe niedriger als vorher? NEIN! im Gegenteil! Der Umweltminister setzte die von der Solarwirtschaft
selbst vorgeschlagene Kürzungsanpassung
im Juli 2011 sogar aus.
Offshore-Haftungsregelung und Industrieausnahmen
Nach mehreren Energiegipfeln mit der atomar-fossilen Energiewirtschaft verkündete die gleiche Regierung, die wenige Monate zuvor gegen den Willen der Bürger eine
Laufzeitverlängerung durchgesetzt hatte, plötzlich mantra artig die Energiewende, als hätte sie diese persönlich erfunden. Die Richtung war klar: Offshore und Stromtrassen. Gleichzeitig wurde die EEG-Novelle mit Kürzungen für alle dezentralen Energieträger sowie eine massive Ausweitung der Industrieprivilegien zur EEG-Umlage beschlossen.
Auch beschloss das Bundeskabinett zu Lasten der Endverbraucher und zugunsten der Energiekonzerne, bzw. Betreiber von Offshore-Windkraftanlagen die
Offshore-Haftungsregelung. Gab es seitdem pausenlos aufgeregte Schlagzeilen zu den zu erwartenden höheren Strompreisen durch Offshore und ausgeweitete Industrieausnahmen? Nein!
EEG-Umlage im Fukushimajahr
Die EEG-Umlage ist ein rein rechnerischer Wert. Er beruht auf Prognosen und Zubauzahlen für Ausgaben und Einnahmen für das Folgejahr, sowie hochgerechneter Werte anhand des EEG-Kontostands im September des laufenden Jahres. Die EEG-Umlage wird von den ÜNB jährlich für das folgende Kalenderjahr bekannt gegeben. Gab es in Anbetracht des starken Nachfrageschubs 2011 und der zugleich im Juli ausgesetzten Förderungskürzung eine starke Steigerung der EEG-Umlage 2012? Erstaunlicherweise NEIN! Sie stagnierte!
Nun. Bekanntlich kann man sich bei Prognosen irren. Bei der Veröffentlichung der EEG-Umlage 2012 im Oktober 2011, somit nur wenige Monate nach den Explosionen in Fukushima, gab es so gut wie keine aufgeregten Schlagzeilen zur EEG-Umlage bzw. gegen EEG oder Photovoltaik. Passend zum begonnenen medialen Mainstream „Wir sind Energiewende“ analog dem bekannten „Wir sind Papst“. Die Ruhe währte jedoch nicht lange.
Der Solarausstieg 2012
Die von Röttgen ausgesetzte Kürzung im Sommer 2011 hatte eine beginnende Marktüberhitzung zufolge. Um dem entgegenzuwirken gab es Anfang 2012 eine starke Kürzung von 15%. Der Markt war wieder in normalen Bahnen. Doch gerade mal vier Wochen später wurde das Messer erneut angesetzt: Röttgen und Rösler stellten ihre Ausstiegspläne vor.
Die Stimmungsartikel gegen EEG und PV , die ab November 2011 wie auf Knopfdruck wieder zurück gekehrt waren, waren aggressiver als je zuvor. Und wieder gab es nicht einen Artikel über die Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV, siehe
Teil 1), die eigentliche Hauptursache der EEG-Umlagen- und somit Strompreissteigerung. Die Solarausstiegsbeschlüsse zogen sich über Monate hin, die Branche wurde auf Eis gelegt. Im Sommer 2012 erfolgten rückwirkend zum 01. April Kürzungen von z.T. über 25%, nach ohnehin gerade erfolgten 15%. Das hatte eine Unterförderung der Solarstromanlagen zur Folge. Insbesondere den Projekten der Bürgerenergiegenossenschaften auf kommunalen Dächern wurde die Existenzgrundlage genommen.
Solarparks und die FDP
In der Geschichte des EEG, somit im Zeitraum von insgesamt 14 Jahren gab es in der Tat durch Auseinanderentwickeln von Vergütungshöhe und Modulpreisentwicklung ab Sommer 2009 für mehrere Monate eine Marktüberhitzung (später nochmal wenige Monate ab Sommer 2011, bzw. nach Röttgens Entscheidung, die von der Solarwirtschaft selbst vorgeschlagene Kürzungsrunde auszusetzen). Die Marktüberhitzung war vor allem im großen Leistungssegment zu beobachten. Es war zu diesem Zeitpunkt geboten, im Sinne einer breiten Akzeptanz des EEG zu handeln. Röttgen kürzte und bekam Anfang 2010 einen unerwarteten Gegner in der eigenen Koalition. Die FDP entdeckte überraschenderweise ihr Herz für große Freiflächenanlagen [vi] und machte sich
für dieses Leistungssegment stark.
Die sehr großen Solarparks, die am wenigsten Akzeptanz in der Bevölkerung haben, überproportional Finanzjongleure und Glücksritter anzogen und zugleich am wenigsten dem Charakter der dezentralen Bürgerenergiewende kleiner Leute entsprechen, erhielten im Solarausstieg 2012 durch schwarz-gelb eine Sonderfrist. Dadurch wurde speziell für das Marktsegment der Investmentfonds und Vermögenden eine attraktive Rendite ermöglicht. Dies löste einen vorher nie stattgefundenen Solarpark-Boom aus. Gleichzeitig wurde beim kleinen und mittleren Marktsegment der Familien, Landwirte, Kommunen, Genossenschaften und mittelständischen Betriebe Stornos und massiver Auftragseinbruch erzeugt. Die Insolvenzwelle und das Massensterben in der PV-Branche begann, während für Vermögende und wenige Projektierer Klientelpolitik betrieben wurde, die nur einen geringen Prozentsatz aller Anlagenbetreiber ausmachten, aber durch
Megawatt die Zubauzahlen und Auszahlungssummen hochtrieben.
EEG-Umlage 2013
2013 stieg die EEG-Umlage kräftig. Kein Wunder, es gab einen starken Nachholeffekt für das falsch prognostizierte Fukushimajahr 2011. Außerdem wirkte das EEG-Paradoxon, angeschoben durch den Nachfrageschub 2011 und Megawattpark-Boom 2012. Die Börsenpreise fielen deutlich. Ebenso wirkte sich die Ausweitung der Industrie-Privilegien aus.
Kurz vor Veröffentlichung der EEG-Umlage 2013 begann eine aggressive, flächendeckende Anzeigen- und Plakatkampagne: „EEG stoppen, sonst scheitert die Energiewende“. Begleitet durch passende Artikel in FAZ, Spiegel, Focus, Welt usw.
Die AusglMechV, durch die die EEG-Umlage unvergleichlich stärker angestiegen ist als die eigentlichen EEG-Kosten an die Anlagenbetreiber, blieb wie immer völlig unerwähnt! Stattdessen wurde die Abschaffung des EEG gefordert und die Einführung eines Quotenmodells.
An Bahnhöfen wurde man schier erschlagen von überlebensgroßen Plakaten mit stimmungsmachenden Karikaturen und Slogans gegen das EEG, die allesamt anhand realer Zahlen (z.B. Anteil Strom am Warenkorb/statistisches Bundesamt, Vergütungssummen EEG-Konto, Vergleich Preisanstieg Sprit, Heizöl, Gas, Strom) sofort widerlegbar waren. Auch in ganzseitigen Anzeigen inklusive Appell an die Bundeskanzlerin war in Tageszeitungen zu bewundern: „Hilfe, die Energiewende wird unbezahlbar“, „Schluss mit dem Strompreis-Horror“, „Subventionen lassen die Strompreise explodieren“ oder „Hohe Strompreise kosten Wählerherzen“.
Wer oder was ist die INSM?
Wer war der Urheber dieser Anzeigen und Plakate? Für den politisch gering interessierten Bürger war kaum erkennbar, wer hier ganz offensichtlich viel Geld in die Hand genommen hatte, um eine gezielt herbeigeführte automatische Assoziation zu den drei Buchstaben EEG und des Begriffs Energiewende zu erzeugen. Wer wollte die Meinung der Passanten und Zeitungsleser in seinem Sinn beeinflussen? Hier einige der
Original-Printanzeigen, die auf der website der INSM auch zum Download zur Verfügung stehen.
Rechts unten war klein und zurückhaltend das Logo der „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ zu sehen. Wer ist diese Initiative? Wer recherchiert, findet nicht nur in Wikipedia viel Material zu einer Organisation, die so lautstark, wie sie sämtliche Lebensbereiche der letzten 14 Jahre mitprägt, im gleichen Maß maximal leise und unsichtbar ist, wenn es um eigene Transparenz geht.
Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft = INSM [viii] ist eine advokatorische Denkfabrik, bzw. eine der einflussreichsten Lobbyorganisationen der deutschen Wirtschaft, die über eine Vielzahl an intransparenten PR-Maßnahmen mittels Themenkampagnen Einfluss auf öffentliche Debatten nimmt und politische Beschlüsse in eigenem Sinn forciert. Die Zeit schrieb 2005 zur INSM den Artikel
„Lautsprecher des Kapitals“: „Sie setzt alles daran, Stimmungen zu verstärken oder zu drehen und medialen Druck zu erzeugen. Wer die Arbeit der Initiative kennt, versteht den fortschreitenden Wandel in der öffentlichen, politischen Kultur, denn ihre Macher glauben fest daran: Wer am Ende die Herrschaft in einer Debatte erringt, dem winkt der höchste Preis – eine Politik nach seinem Gusto.“
Auf leisen Sohlen ins Gehirn
Die INSM wurde 2000 von Metallarbeitgeber-Chef Kannegießer gegründet, nachdem er sich über eine Meinungsumfrage geärgert hatte, deren Ergebnis konträr zu seinen Vorstellungen von Sozial- und Arbeitsmarktpolitik war: Die Mehrzahl der Deutschen wünschte sich auch in Zukunft einen starken Sozialstaat. Als Gegenmaßnahme wurde daraufhin von Kannegießer gezielte PR angedacht, um das Volk zu einer anderen Überzeugung zu bringen. Der damalige Sprecher von Gesamtmetall, Werner Riek in einem
Interview (ab min 02:36): „Das muss man doch vielleicht ändern können, dass das, was wir an notwendigen Reformen erkennen, auch von den Mitbürgern als eine positive Reform akzeptiert wird“.
Geld ist nicht das Problem. Für verdeckte PR von kreativen Kommunikationsprofis stand auch für 2012 der von Verbänden und Unternehmen der privaten Wirtschaft finanzierten Lobbyorganisation ein
Jahresbudget von knapp 7 Mio. Euro nach Steuern zur Verfügung. Einen Förderverein der INSM gibt es ebenfalls.
Erfolgsbeispiele INSM
Der erfolgreichste „Claim“ der INSM war in jeder Talkshow zu hören: „Sozial ist, was Arbeit schafft“. Die bislang erfolgreichste INSM-Themenkampagne war die Einführung der privaten Altersvorsorge.
Im Rahmen dieser PR-Kampagne wurde der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm mittels seiner Aussage von 1986 - "die Rente ist sicher" - öffentlich als realitätsfremde Witzfigur stilisiert ("negative campaigning"). Im gleichen Zug wurde über alle Kanäle pausenlos als „neutrale“ Wahrheit
in die Köpfe der Menschen implementiert, dass eine private Altersvorsorge „alternativlos“ sei und das staatliche Rentensystem die Menschen an den Abgrund führe. Diese Argumentationslinie verwendet die INSM
auch weiterhin.
Die Riester Rente wurde 2002 eingeführt, die Rürup Rente 2005. Der damalige Vorstandsvorsitzende des Finanzdienstleisters AWD und Versicherungsmillionär Carsten Maschmeyer verkündete im
Juni 2005 auf der AWD Hauptversammlung: „Die Verlagerung von der staatlichen zur privaten Altersvorsorge ist ein Wachstumsmarkt über Jahrzehnte.“ Man könne zwar nicht überblicken, wie sich der Anstieg der privaten Altersvorsorge präzise ausgestalte. „Es ist jedoch so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen. Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß und sie wird sprudeln“
Heute zeigt die Praxis, dass die Riester-Rente entgegen vorheriger Versprechungen für die angesprochene Zielgruppe mit kleinerem Einkommen von Nachteil ist und sich zudem viele Geringverdiener von vorne herein keine zusätzliche private Altersvorsorge leisten können. Laut des früheren Bundesarbeitsministers Blüm stehe Deutschland
erst am Anfang der zunehmenden Altersarmut.
So einflussreich und laut die Themen der INSM in der Öffentlichkeit mittels verdeckter PR sind, so still und unsichtbar ist sie bzgl. ihrer Eigenkommunikation. Die breite Masse kann mit den vier Buchstaben INSM nach wie vor nichts anfangen. Obwohl nach einer Untersuchung der Universität Münster bereits 2005 über ca. 50% der Medieninhalte auf INSM-Infos beruhten. Die Lobbyeinrichtung deutscher Konzerne arbeitet erfolgreich seit 14 Jahren zu sämtlichen Politikthemen nach dem Prinzip, Deutungshoheit in einer Debatte herbei zu führen:
Arbeitsweise INSM
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Neudefinition und Besetzung von ursprünglich positiv besetzten Begriffen und Themen. Ende August 2012 begann der Themenschwerpunkt „EEG stoppen - Energiewende retten“ mit wohlklingenden Vorschlägen („Wettbewerbsmodell“ = Quotenmodell), die real jedoch die bestehende dezentrale Energiewende beendet und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle und Märkte für die großen Energieunternehmen eröffnet und so für noch stärkere Marktkonzentration im Energiemarkt sorgt, statt für Wettbewerb.
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Einsatz von negativ besetzten Schlagworten („EEG-Kosten-Tsunami“, „unsinnige Förderung“, „schädliche EEG-Subventionen“)
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viele „unabhängige“ Experten wirtschaftsnaher und wirtschaftsfinanzierter Institute (IW, EWI, RWI u.a.) liefern im Auftrag der INSM Inhalte in Form von Studien, Umfragen und Rankings, die an ausgewählte Journalisten und Medien (Zeitungen, TV, Rundfunk, Internet) gehen. Sie erhalten gut aufbereitete Informationen, die Neutralität suggerieren, aber in Wirklichkeit nicht so neutral sind, wie es den Anschein haben soll.
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direkte Medienkooperationen mit verschiedenen Zeitungen, z.B. Wirtschaftswoche, Welt etc. (siehe Lobbypedia INSM Medienkooperationen)
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INSM-Stipendien und Förderung zukünftiger Wirtschaftsjournalisten
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Finanzierung von Workshops an Journalistenschulen
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Ein Pool an Botschaftern und Kuratoren aus unterschiedlichen politischen Parteien, Organisationen oder Instituten sind Dauergäste in Polit-Talkshows. Sie sollen den Anschein von Überparteilichkeit und Konsens erwecken. Doch nicht selten sitzen mehrere INSM-Botschafter gleichzeitig in Polit-Talkshows - als scheinbar unterschiedliche Parteien oder Organisationsvertreter - und verbreiten zum Kampagnenthema einhellig die gleichen Inhalte.
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Eigene Info-Veranstaltungen für Politiker (z.B. „energiepolitisches Frühstück“), die dafür sorgen, dass INSM-Slogans und ausgearbeitete Argumentationslinien von ausgewählten, eingeladenen Politikern (z.B. Bareiß CDU) 1:1 übernommen werden und ebenfalls wieder für flächendeckende Pressemeldungen sorgen.
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selbst Schulen werden von der Lobbyorganisation INSM nicht ausgelassen. Über das Lehrerportal www.wirtschaftundschule.de stellt die INSM einseitig aufbereitetes, kostenloses Unterrichtsmaterial für (bequeme) Lehrer zu den Themen Politik, Wirtschaft und Umwelt und zur Verfügung.
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stattgefundene Einflussnahme der INSM bis hin zu gekauften Dialogen in Vorabendserien. Konkret zahlte die INSM 2002 insgesamt 58.670 Euro, um Einfluss auf Dialoge zu Wirtschaftsordnung, Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in der ARD-Sendung Marienhof platzieren zu können.
Die beabsichtigte Wirkung solcher durchgestylter flächendeckender Medienbeschallung liegt auf der Hand: Wenn soviel „unterschiedliche“ Leute und Gruppierungen alle das Gleiche sagen und schreiben, bedeutet das für den unbedarften Leser, Zuschauer, Zuhörer, Journalisten, Lehrer, Schüler, der keine weiteren Hintergrundinfos hat: Das muss richtig sein. Und so werden oft wiederholte Behauptungen nach und nach zu vermeintlichen „Wahrheiten“.
Argumentationskette der INSM im Rahmen der Kampagne "EEG stoppen" als Vorlage für Medien und Politik; öffentlicher Appell an die Bundeskanzlerin in Form von Großanzeigen (gleiche Methode wie die Anzeigenkampagne - "Appell der 40 Manager" im August 2010 zur Herbeiführung der Laufzeitverlängerung)
Ein vermeintlich vielstimmiger Chor?
Seit Juli 2012 ist Wolfgang Clement Vorsitzender des INSM-Kuratoriums. Und damit kam erstmals das Thema Energiewende auf die INSM-Agenda (der Schwerpunkt der INSM lag lange Zeit vor allem bei Sozialabbau und Verringerung der Staatsquote). Clement ist Aufsichtsrat der Konzerntochter RWE Power AG und einer der 40 Unterzeichner der Anzeigenkampagne zur Laufzeitverlängerung August 2010. Er ist zudem Senior Advisor der PR-Agentur Deekeling Arndt Advisors, die im Auftrag des Atomforums 2008-2009 eine
Kampagne zur Herbeiführung der Laufzeitverlängerung durchführte.
Welche Akteure sich im Rahmen der INSM-Themenkampagne „Energiewende retten“ die Bälle zuwarfen und welche Nähe und Vernetzungen bestehen, sieht man eindrucksvoll auf der Website der Energieblogger unter „Transparenz“
[ix]. Alle Informationen sind mit Links und vielen Quellen hinterlegt.
Insbesondere in Zeiten, in denen Gesetzestexte vorbereitet werden, tauchen im Abstand weniger Tage zahlreiche Akteure auf, die das Gleiche fordern. Erstaunlicherweise wurden in der EEG-Debatte plötzlich - ob in Politik, Wirtschaftsredaktionen oder Talkshows - energische Gegner von Mindestlohn, die bislang bei sämtlichen Aspekten der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik Kürzungen und Maßnahmen zum Sozialabbau forderten, zum Schutzpatron von Geringverdienern .... hä??
Passend hierzu gibt es Studien am laufenden Band von vermeintlich neutralen Instituten wie dem IW, EWI, RWI - nicht selten die
Gleichen, die zeitgleich zu anderen Politikfeldern unternehmensorientierte Vorschläge zu Lasten sozial Schwacher vorantreiben. Die Schlagzeilen sind beherrscht von Expertenmeinungen und Studien von Instituten, die allerdings bei näherem Hinsehen gar nicht so neutral sind, wie sie den Anschein erwecken sollen:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)
Das IW wurde 1951 als Deutsches Industrie-Institut (DI) gegründet und wird von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) getragen. Das IW ist gemäß Lobbypedia die Muttergesellschaft der Lobbyorganisation INSM. Der Direktor ist Michael Hüther, der zugleich im wissenschaftlicher Beirat des Wirtschaftsrats der CDU ist. 2012 wurden Studien des IW zum EEG u.a. im Auftrag der INSM erstellt. Die Veröffentlichung der Studie war ein Medienevent mit sämtlichen Pressevertretern: „EEG belastet vor allem Geringverdiener“
Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI)
Das EWI ist ein Institut, das von Eon und RWE gefördert wird. Eon, RWE, Vattenfall und RAG finanzieren z.B. die Stiftungsprofessur des energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI). Chef des EWI ist Marc Oliver Bettzüge, der zugleich auch im wissenschaftlichen Beirat des „Wirtschaftsrats der CDU“ ist.
Besondere Aufmerksamkeit hat das EWI 2010 durch die Veröffentlichung einer Studie bekommen, die Grundlage für die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken wurde.
Das EWI erstellte 2012 eine Studie zum EEG im Auftrag der INSM: „Weiter explodierende Kosten bis 2018“.
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI)
Das RWI-Institut ist ein wirtschaftsnahes Institut, das zu einem Drittel durch den Bund, das Land NRW und über Drittmittel finanziert, wie z.B. über die Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI. Präsident dieser Gesellschaft war ab 1996 Dietmar Kuhnt (Vorstandsvorsitzender RWE AG 1995-2003), danach bis Juni 2012 Rolf Pohlig (Finanzvorstand RWE AG bis Ende 2011). Der jetzige Präsident der Gesellschaft ist Manfred Breuer. Der RWI Präsident ist Christoph M. Schmidt, der zugleich Vorsitzender des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist (= „5 Wirtschaftsweise“). Das RWI erstellte 2012 im Auftrag der INSM eine Ausarbeitung zum Quotenmodell. Ende August fand die gemeinsame Eröffnung von RWI und INSM der Themenkampagne „EEG stoppen, sonst scheitert die Energiewende“ statt. Hierbei wurden die stimmungsmachenden Motive der Plakat- und Anzeigenkampagne vorgestellt.
Monopolkommission
Der frühere Vorsitzende und jetziges Mitglied ist Justus Haucap, der zugleich Vorsitzender im Forschungsbeirat des RWI Instituts und Mitglied im Verwaltungsrat des RWI-Instituts, sowie Autor im Ökonomenblog der Lobbyorganisation INSM ist. Bei der Themenkampagne „Energiewende retten – EEG stoppen“ ist er einer der Protagonisten der Kampagnen-Videos. „Wirtschaftspolitik verstehen“ ist ein gemeinsames Videoformat der INSM und dem Thinktank „Econwatch“, das auch im Rahmen der INSM-Kampagne „EEG stoppen – Energiewende retten“ zum Einsatz kam. Der Präsident von Econwatch, der mit der INSM kooperiert, ist Justus Haucap. Die Monopolkommission empfiehlt das Quotenmodell. Die dazugehörige INSM Veröffentlichung war in allen Zeitungen: „Monopolkommission empfiehlt Quotenmodell statt EEG“.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Der Vorsitzende des Sachverständigenrats ist zugleich RWI Präsident Christoph M. Schmidt, der das Quotenmodell im Auftrag der INSM ausgearbeitet hat und die INSM Themenkampagne zur Abschaffung des EEGs mit eröffnet hat. Auch die Veröffentlichung der Quotenmodell-Forderung des Sachverständigenrats hatte in allen Zeitungen entsprechende Schlagzeilen zur Folge.
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)
Der BDEW ist ein Unternehmensverband von 1.800 Unternehmen, der zwar auch etliche Stadtwerke und Regionalversorger vertritt, jedoch aufgrund der Vielzahl der Tochter und Tochter-Tochterfirmen, sowie Beteiligungen dominiert wird von den Interessen von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung ist Hildegard Müller. Diese war von 2005-2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt und ist eine enge Vertraute von Angela Merkel. Der BDEW fordert 2013 die Abschaffung des EEGs und schlägt ein neues Modell vor, was von allen Zeitungen augenblicklich thematisiert wurde.
Wirtschaftsrat der CDU
Der Wirtschaftsrat der CDU ist ein bundesweit organisierter, unternehmerischer Berufsverband mit derzeit rund 12.000 Mitgliedern. Er fordert die Abschaffung des EEGs und Einführung des Quotenmodells und setzte sich auch 2009/2010 für die Laufzeitverlängerung ein. Im Präsidium und in der Bundesfachkommission ist u.a. Johannes Lambertz, der bis Ende 2012 Vorstandsvorsitzender der RWE Power AG war. Im wissenschaftlichen Beirat sitzen Prof. Bettzüge (EWI), das von Eon und RWE gefördert wird und Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und Muttergesellschaft der Lobbyorganisation INSM. Zum Bundesvorstand des Wirtschaftsrats gehört außerdem auch Hildegard Müller (BDEW). Forderungen des Wirtschaftsrats der CDU werden ebenso stets ausgiebig in allen Zeitungen thematisiert.
Deutsche Energie Agentur (Dena)
Die Dena, bzw. Stephan Kohler, fordert die Abschaffung des EEGs und ein Ende des Einspeisevorrangs für Erneuerbare Energien. 2007 wurde die Dena mit mehr als neun Mio. Euro von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall unterstützt. 2008 war die Kommunikationsoffensive „zur positiven Beeinflussung der politisch-öffentlichen Debatte um die Restlaufzeiten von Kernkraftwerken“ durch den Auftraggeber Atomforum (Zusammenschluss von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall). Kohler warnte 2008 dringend vor einer Stromlücke, falls auf die Kernenergie verzichtet würde. Die Zahlengrundlage wurde jedoch nicht offengelegt, bzw. durch andere Rechnungen widerlegt. Herr Kohler bekam 2009 von RWE ein Angebot, die Seiten zu wechseln, was er nach kurzem Zögern dann aber doch wieder verwarf. Überall zu lesende Schlagzeile August 2013: „Dena Chef fordert die Abschaffung des EEG“.
Der vermeintlich vielstimmige, einhellige Chor zur Abschaffung des EEGs und Einführung des Quotenmodells entpuppt sich bei genauerer Betrachtung der Vernetzungen zu einem übersichtlichen Destillat mit klarer Interessenslage.
In allen Schlagzeilen, Studien und Veröffentlichungen spielte die Auseinanderentwicklung von der tatsächlich belegbaren Stagnation der eigentlichen EEG-Kosten (= Auszahlungen an die Anlagenbetreiber) und der exponentiell ansteigenden EEG-Umlage nie eine Rolle. Die AusglMechV von Juli 2009 und das dadurch hervorgerufene EEG-Paradoxon ist in dieser Inszenierung nicht existent. Obwohl diese nach Untersuchung des Öko-Instituts von 2013 zu 2014
nachweislich mit 37% bei der EEG-Umlagensteigerung der größte Kostentreiber war.
Presseerklärungen von NGOs, Parteienvertretern oder Verbänden, die nicht dem aktuellen Mainstream entsprechen, finden nicht in gleicher Weise Berücksichtigung. Oftmals werden sie überhaupt nicht abgedruckt. Auch ich erlebte übrigens in den letzten Jahren, ähnlich wie Hans-Josef Fell (Vater des EEG 2000) trotz zahlreicher Anläufe und Kontaktaufnahmen zu unterschiedlichen Printmedien durchweg Blockade.
Wie aus A ein B werden kann
Das Geheimnis der Meinungsmache liegt in der Wiederholung.
„Es ist leichter, eine Lüge zu glauben, die man hundertmal gehört hat, als eine Wahrheit, die man noch nie gehört hat.“
Energieminister Gabriel verwendete bei der Vorstellung seines Eckpunktepapiers zur EEG-Reform prompt die gleiche Wortwahl wie die INSM: „diese Maßnahmen sind notwendig um die „Energiewende zu retten“. Das Hauptargument in der einseitig geführten EEG-Debatte war stets die Verbraucherentlastung. Diese scheint bei der EEG-Novelle 2014 plötzlich keine Rolle mehr zu spielen. Die Industrie bekommt mittels Industrieausnahmen bei der EEG-Umlage weiterhin einen Freifahrtschein und belastet den Verbraucher mit ca. 40 Euro im Jahr, Tendenz steigend.
Die teuerste Energieform (Offshore) der Konzerne wird gepusht, während die günstigsten Energieformen (Wind-Onshore und PV) gedeckelt werden. Vom künstlich erzeugtem EEG-Paradoxon hört man von Gabriel kein Wort und schon gar keinen Vorschlag der Gegenmaßnahme (Änderung des Wälzungsmechanismus). Stattdessen kam der Vorschlag einer Eigenverbrauchsabgabe auf selbstverbrauchten PV-Strom. Was laut Verbraucherschützer Krawinkel den Verbraucher um
durchschnittlich 50-75 Cent IM JAHR (!!) entlastet, hingegen die Wirtschaftlichkeit von PV-Projekten erschwert bis verhindert. Die Bürgerenergiegenossenschaften trifft es besonders hart, sie sind durch den
Wegfall des Grünstromprivilegs, was sogar rückwirkend für Bestandsanlagen gilt,
ernsthaft bedroht.
Während die EEG-Umlage bei Beibehalten des Systemfehlers der AusglMechV weiterhin gegen den Himmel rasen wird. Trotz Kahlschlagpolitik gegen die dezentrale Energiewende der Bürger, die auch weiterhin als Sündenbock inszeniert werden.
Die EEG-Novelle als Bestandsschutzprogramm der konventionellen Energiewirtschaft konnte mittlerweile weitgehend unverändert durchgepeitscht werden. Gabriel klopfte sich mittels einer aus demokratischer Hinsicht äußerst fragwürdigen und
809.039,35 Euro teuren, von Steuergeldern finanzierten PR-Kampagne hierzu noch selbst auf die Schulter. Eine Plakat-Persiflage vom BUND, die vom sfv per Aufkleber verbreitet wurde, folgte prompt....
Die professionell organisierte Meinungsmache mit Slogans wie „Hilfe – die Energiewende wird unbezahlbar oder „Subventionen lassen die Strompreise explodieren“ ungeachtet jeglichen Wahrheitsgehalts, scheint zu funktionieren. Wurde vor mehreren Jahren bei einer Radioumfrage von Passanten den drei Buchstaben EEG ein „Europäisches Einigungsgesetz“ zugeordnet, scheint die heutige Assoziation zum Begriff EEG medial und an den Stammtischen gesetzt.
Diese Methoden zu kennen, zu durchschauen, zu enttarnen und zu kommunizieren, ist eine Herausforderung, die weit über das Themengebiet Energiewende herausgeht. Sie ist wichtig für den Erhalt einer echten und nicht lediglich nur demokratisch kostümierten Demokratie. Nehmen wir sie an – im Sinne unserer Kinder und Kindeskinder!
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