Während sich Industrieverbände zufrieden und erleichtert über den in der vergangenen Woche verbabschiedeten Kabinettsentwurf zur EEG-Novelle gezeigt haben, überwiegt bei den Herstellern und Betreibern von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien die Ernüchterung. Zu sehr steht das Dokument unter dem Eindruck der seit geraumer Zeit geführten Kostendebatte. Eine dynamische Ausbauperspektive, wie sie die Unternehmen mit ihren in Zeiten guter Geschäfte aufgebauten Kapazitäten benötigen würden, bietet die Novelle des wichtigsten Energiewende-Gesetzes nicht. Insbesondere in der Bioenergiebranche sieht man kaum mehr eine Zukunft in Deutschland. Der Kabinettsbeschluss sei „verheerend“ und die Bundesregierung setze damit „die Energiewende in den Sand“, hieß es etwa von Seiten des Biogasrats.
Kritik kommt aber nicht nur aus dem Bioenergiebereich. Die Solarbranche etwa zweifelt an der Verfassungskonformität der Regelungen im Bereich des Eigenverbrauchs. Zweifel an der rechtlichen Ausgestaltung der Regelungen zum „Neustart der Energiewende“, wie ihn Bundesenergieminister Sigmar Gabriel (SPD) propagiert, gibt es auch mit Blick auf die Länderöffnungsklausel bei der Windkraft. Der Fraktionschef der Grünen im bayerischen Landtag, Ludwig Hartmann, ließ im Gespräch mit EUWID durchblicken, dass man insbesondere die bayerische Vorgehensweise mit Blick auf den Abstand von Windenergieanlagen zu Wohngebieten für juristisch nicht haltbar hält (vgl. http://www.euwid-energie.de/news/windenergie/einzelansicht/Artikel/drohendes-aus-fuer-bayerische-windkraft-laenderoeffnugsklausel-laut-gruenen-chef-rechtlich-nicht-h.html).
Ein wichtiger Kritikpunkt an der EEG-Novelle liegt auch in einer fehlenden Ausrichtung des gesetzlichen Rahmens an den Bedürfnissen eines auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystems. Die Speicherung von Energie wird ausgespart, die Rolle der Bioenergie als Systemdienstleister in einem künftigen Energiesystem wird massiv beschränkt, auch für Biomethan sehen die Branchenverbände keine Perspektive. Die Fragen, wie ein stabiles Versorgungssystem gestaltet werden kann, wenn fluktuierende erneuerbare Energien im Strommarkt innerhalb der kommenden zehn Jahre eine dominierende Rolle im Strommarkt übernehmen, sind zunächst einmal nicht beantwortet.
Stattdessen geht es einmal mehr um die Begrenzung der Kosten der Energiewende. Dieses Ziel, das zumeist mit einer Stabilisierung der Strompreise gleichgesetzt wird, ist für sich genommen nicht zu beanstanden, allerdings sind Zweifel angebracht, inwieweit die gewählten Schritte diesem Ziel dienen. Zunächst geht der mit Abstand größte Kostenblock auf Vergütungsversprechen aus der Zeit des Photovoltaikbooms zurück, als eine vergleichsweise hohe garantierte Vergütung bei dramatisch gesunkenen Systemkosten zu hoher Rendite und damit zu einem Zubau auf sehr hohem Niveau geführt hat.
Würde sich ein solcher Zubau heute wiederholen, würde das aber nur noch einen Bruchteil der Kosten des historischen Zubaus nach sich ziehen. Das zeigt bereits ein Blick auf die Vergütungssätze: Erhielten Betreiber einer neuen 8-kWp-Solaranlage vor fünf Jahren noch eine auf 20 Jahre garantierte Vergütung in Höhe von 43,01 ct/kWh, so beträgt dieser Vergütungssatz für Neuanlagen im April 2014 noch 13,28 ct/kWh, also weniger als ein Drittel. Auch in anderen Erzeugungsbereichen hat die im EEG angelegte Degression die Kosten deutlich sinken lassen. Einzig der Ausbau der Offshore-Windkraft ist aus heutiger Sicht ein Kostenrisiko, von dieser Technologie verspricht sich die Politik aber eine besonders wichtige Rolle im Zuge der Energiewende. Das Kostenargument wurde insoweit mit Blick auf den Offshore-Ausbau ein Stück weit ausgeblendet.
Wird der Block der Bestandskosten als gegeben angenommen – und davon darf man nach dem gescheiterten Versuch des früheren Umweltministers Peter Altmaier (CDU) zur Senkung der EEG-Bestandskosten im Zuge seiner „Strompreisbremse“ ausgehen – dann geht es um die Kosten von Reinvestitionen und Neubau am Elektrizitätsmarkt. Hier ist es dann aber nicht damit getan, Investitionen in erneuerbare Energien aufzusummieren und mit den „Kosten“ der Energiewende gleichzusetzen. Vielmehr ist ein Vergleich zwischen verschiedenen Handlungsoptionen erforderlich.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Vergleich zwischen den Systemkosten, die ein weitgehend auf erneuerbaren Energien und ein eher fossil geprägtes Stromversorgungssystem im Jahr 2050 verursachen würde. Genau dieser Frage ist jetzt das Hamburger arrhenius-Institut nachgegangen. Die Studie zeigt, dass der „vermeintlich einfachste Ansatz, im Status-quo zu verharren und damit eine Kostenstabilisierung oder gar -senkung zu erreichen, zu kurz greift“. Der Verzicht auf die Energiewende bedeutete dabei vor allem auch hohe Kosten für den Betrieb eines konventionellen Kraftwerksparks durch den erforderlichen Einkauf entsprechender Brennstoffe.
Die Frage, inwieweit mit der EEG-Novelle ein Neustart der Energiewende geglückt ist, kann zumindest nicht mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Die angestrebte Umstellung des Fördersystems auf eine verpflichtende Direktvermarktung und auf Auktionsmechanismen wird zumindest den Charakter der Energiewende nachdrücklich verändern. Gerade kleinere Investoren und Bürgerenergiegenossenschaften fürchten, dass die aktive Gestaltung der Energiewende künftig in den Händen großer Versorger liegen wird. Positiv zu bewerten ist an der Herangehensweise von Bundesenergieminister Sigmar Gabriel (SPD), dass er zügig für klare Rahmenbedingungen sorgen will. Die massive Verunsicherung bei Investoren und Unternehmen hat der Erneuerbaren-Branche wohl mehr geschadet als jede Vergütungskürzung in der Vergangenheit. Dies zumindest könnte einen Neustart bedingen, der aus heutiger Sicht aber kaum mehr den Charakter eines durch bürgerschaftliches Engagement getragenen Umbaus der Energieversorgung in Richtung erneuerbarer Energien besitzen dürfte.
http://www.euwid-energie.de/news/neue-energien/einzelansicht/Artikel/biogasbranche-bundesregierung-setzt-energiewende-in-den-sand.html