Die Begründung hat es in sich. Das Bundesverfassungsgericht entschied: Der Atomausstieg in Deutschland nach der Fukushima-Katastrophe vor fünfeinhalb Jahren war recht und billig. Er dient dem „Schutz des Lebens und der Gesundheit“. Ein Kommentar von Franz Alt
Für alle Länder, die jetzt noch an ihrer alten Atompolitik festhalten – wie zum Beispiel unser direkter Nachbar Frankreich – stellt sich nun dringend die Frage: Warum wird dort „Leben und Gesundheit“ der Bürger nicht besser geschützt?
Das Karlsruher Urteil ist für alle, die Jahrzehnte gegen Atomenergie gestritten und demonstriert haben, eine späte Genugtuung und für die Atomfreunde ein Grund zum Nachdenken: Was gibt es in einem Land Wichtigeres als „Leben und Gesundheit“? Warum hat es Jahrzehnte gedauert bis diese banale Erkenntnis, dass jedes AKW ein Restrisiko für alles Leben bedeutet, Mehrheitsmeinung war? Warum haben uns erst die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima wachgerüttelt? Diese Frage muss sich auch der Autor dieser Zeilen stellen, der früher als braves CDU-Mitglied auch für die Atomenergie war.
Mit diesem Urteil, so kommentiert die Süddeutsche Zeitung, „hat das Bundesverfassungsgericht großes getan für den Frieden im Land“.
Zumindest in Deutschland werden bis 2022 alle AKW abgeschaltet. Aber das Thema Atommüll bleibt und die Suche nach einem „Endlager“ beginnt jetzt erst richtig. Das Gift strahlt etwa eine Million Jahre. Der Sarkophag in Tschernobyl, der soeben für etwa zwei Milliarden Euro fertiggestellt wurde, wird etwa 100 Jahre halten.
Hochgerechnet auf eine Million Jahre heißt das: diese „Schutzhülle“ muss etwa 10.000 mal erneuert werden. Billiger Atomstrom wie uns seit 50 Jahren erzählt wird? Eine größere Lachnummer wurde der Menschheit nie vorgegaukelt. Die eigentlichen Kosten zahlen unsere Kinder und Enkel und deren Kinder und Enkel.
Die Energiekonzerne wollten mit ihrem Gang nach Karlsruhe „Schadenersatz“ für die frühere Stilllegung ihrer AKW. Die letzten werden nicht 2036, wie 2010 noch beschlossen, sondern im Jahr 2022 vom Netz gehen. Dafür wollten RWE, E.ON und Vattenfall einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Das BVG entschied nun, dass sie sich mit einem dreistelligen Millionenbetrag zufrieden geben müssen, wenn überhaupt. Die Konzerne sind gut beraten, wenn sie jetzt nach diesem Grundsatzurteil auch darauf verzichten. Andernfalls sollte die Bundesregierung auf die weitere Bezahlung der bisherigen Kernbrennstoff-Steuer bestehen. Diese sollte ursprünglich Ende 2016 abgeschafft werden.
Das Atomkraft-Urteil ist insgesamt ein Sieg der Politik über reine Wirtschaftsinteressen und ein später Sieg der Anti-Atombewegung. Jetzt ist noch klarer als schon zuvor, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört.