© Hans Benn-  pixabay.com / Wildbiene
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Studie zeigt: Mehr als 40 Prozent aller Insekten weltweit vom Aussterben bedroht

Verlust an Lebensraum in der Landwirtschaft ist Hauptursache – Die Agrarpolitik muss insektenfreundlicher werden

Sydney/Berlin – Mehr als 40 Prozent aller weltweit vorkommenden Insektenarten sind vom Aussterben bedroht. Dies ist das Ergebnis einer vor kurzem veröffentlichten Studie im Fachmagazin „Biological Conservation“. Ein Forscherteam aus Australien, Vietnam und China wertete 73 Studien zur Situation der Insekten aus und identifizierte die wesentlichen Treiber des weltweiten Insektenschwunds. Demnach führt vor allem der hohe Verlust an Lebensräumen in der immer intensiveren Landwirtschaft zu ihrem Aussterben, eine weitere wesentliche Ursache ist der steigende Einsatz synthetischer Pestizide und Düngemittel.

„Die Studienergebnisse sind alarmierend. Wenn in Kürze fast jede zweite Insektenart ausstirbt, drohen uns katastrophale Folgen. Denn Insekten sind die Grundlage unserer Ökosysteme. Fehlen sie, werden Pflanzen und Bäume nicht mehr bestäubt, finden Fische weniger Nahrung und Pflanzenschädlinge werden nicht mehr auf natürliche Weise gestoppt. Wir brauchen daher dringend eine naturverträglichere Agrarpolitik, die Insekten und ihre Lebensräume schützt“, so der Präsident des Naturschutzbund Deutschland, Olaf Tschimpke.

Laut der Studie sind weltweit insbesondere Schmetterlinge, Mistkäfer und Hautflügler – wie Bienen und Ameisen – vom Rückgang betroffenen. Unter den schwindenden Arten sind nicht nur seltene oder spezialisierte, sondern auch viele häufige. Die Ergebnisse beziehen sich im Wesentlichen auf Europa und Nordamerika, da in anderen Regionen der Welt oft Studien über längere Zeiträume fehlen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass sich die Art und Weise der Landwirtschaft dringend ändern muss, um den Negativtrend zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen.

Die Lage der Insekten ist z.B. auch in Deutschland alarmierend. Laut Roter Liste ist jede dritte der in Deutschland lebenden 560 Wildbienen-Arten gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Auch die Anzahl der Tiere schwindet. So wiesen Forscher des Entomologischen Vereins Krefeld 2017 erstmals in einer Langzeitstudie nach, dass die Biomasse der Fluginsekten in deutschen Naturschutzgebieten innerhalb von 27 Jahren um mehr als 75 Prozent gesunken ist.

Der NABU sieht sich durch die Studie erneut in seiner Forderung nach einer drastischen Änderung der EU-Agrarpolitik bestätigt. In den kommenden drei Monaten entscheiden das EU-Parlament und die EU-Mitgliedstaaten über die künftige Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Jahre 2021 bis mindestens 2027 und damit über die Verteilung von derzeit knapp 60 Milliarden Euro Agrarsubventionen jährlich.

Dass mehr Naturschutz in der Agrarlandschaft notwendig ist und die Auflagen für Landwirte entsprechend steigen werden und müssen, zeigt aktuell auch das Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern. Mehr als 900.000 Menschen fordern bereits grundlegende Änderungen im bayerischen Naturschutzgesetz und damit die Rettung der Insekten.

Dem großen gesellschaftlichen Wunsch nach besserem Insektenschutz läuft die EU-Agrarpolitik bislang zuwider: Sie fördert den Besitz von Fläche, ohne Rücksicht auf die Art und Weise wie auf darauf gewirtschaftet wird. „Landwirte sind durch das fatale System gezwungen, immer mehr aus ihren Flächen herauszuholen, bis in den letzten Winkel, teils mit hohem Pestizid- und Düngereinsatz. Damit muss Schluss sein“, so Tschimpke.

Als erforderlichen Schritt zum Stopp des Insektensterbens nennen die Forscher im Fachmagazin „Biological Conservation“ eine drastische Reduzierung des Pestizid-Einsatzes. Darüber hinaus empfehlen sie das Anlegen von Blumen- und Wiesenstreifen an Feldrändern sowie die Erhöhung der Fruchtfolge, also den Anbau unterschiedlicher Feldfrüchte nacheinander auf derselben Fläche. Darunter solle künftig auch mehr Klee sein, um die Zahl und Vielfalt der Hummeln zu erhöhen. Zudem müsse feuchtes und nasses Grünland wiederhergestellt und die Wasserqualität verbessert werden, da Gewässer oftmals mit Pestiziden belastet seien. „Alle von den Forschern empfohlenen Maßnahmen sind durch eine naturverträglichere EU-Agrarpolitik möglich – und dringend notwendig“, so Tschimpke.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /