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EU-Beschwerde der österreichischen Umweltbewegung gegen Standortentwicklungsgesetz

Allianz der Umweltbewegung fordert Reaktion der EU-Kommission wegen gravierenden Verstößen gegen EU-Vertrag und zahlreiche EU-Umweltgesetze.

"Das europäische Recht soll zumindest gemeinsame Mindeststandards gewährleisten. Wir setzen darauf, dass die Europäische Kommission der Bundesregierung klar signalisieren wird, dass sie das vorsätzliche Ausschalten dieser Mindeststandards durch die Wirtschaftsministerin nicht duldet und entsprechende Maßnahmen setzt"
Thomas Alge, Geschäftsführer ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung

Wien - Zum Ende der Begutachtungsfrist für das Standortentwicklungsgesetz wandten sich die Spitzen der österreichischen Umweltbewegung in einer Beschwerde an Umweltkommissar Karmenu Vella und den Generaldirektor der Umweltbehörde in der EU-Kommission Calleja Crespo. Den gemeinsamen Brief unterzeichneten alle Präsidenten bzw. Geschäftsführenden jener Umweltschutzorganisationen, die in ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung vereinigt und auch zur Teilnahme an UVP-Verfahren berechtigt sind.

ÖKOBÜRO-Geschäftsführer Thomas Alge: „Dieses Standortgesetz untergräbt sämtliche Umwelt-Mindeststandards und wurde von führenden Verfassungs- und Verwaltungsjuristen von Anfang an als europarechtlich unzulässig kritisiert. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck will aber offenbar trotzdem an dem Genehmigungsautomatismus festhalten. Wir haben uns daher zu diesem Schritt entschieden, um Umweltkommissar Karmenu Vella frühzeitig über die umfassenden Rechtsbrüche zu informieren.“

Der im Standortentwicklungsgesetz vorgesehene „Genehmigungsautomatismus“ zwölf Monate nach Ablauf des Beschlusses der Bundesregierung sowie die Beschneidung der Möglichkeiten, solche Bescheide zu bekämpfen, verletzen folgende europäische Rechtsnormen:

Den Vertrag der Europäischen Union und die Europäische Grundrechtscharta: Das Recht auf faire Verfahren ist nicht gegeben, wenn Genehmigungen automatisch erteilt werden, ohne Einwendungen der Verfahrensparteien abschließend verhandelt zu haben und der Rechtsschutz (Einspruchsmöglichkeiten) erheblich beschnitten wird. Hier handelt es sich um fundamentale Rechtsbrüche gegen die „Verfassung“ der EU, den EU-Vertrag.
Die UVP-Richtlinie: Die Umweltverträglichkeit von Großprojekten muss vor Baubeginn rechtlich geprüft werden. Ausnahmen davon sind im Einzelfall (z.B. Katastrophenfall) möglich, wenn die Ziele der Richtlinie trotzdem erreicht werden. Davon kann bei einem Genehmigungsautomatismus nicht die Rede sein.

Darüber hinaus werden auch die Verpflichtungen zur Beteiligung und zum Rechtsschutz (Einspruchsmöglichkeiten) der betroffenen Öffentlichkeit nicht gewährleistet.
Die SUP-Richtlinie: Wenn die Bundesregierung einer Liste von Projekten öffentliches Interesse verleiht, so muss die Listenerstellung davor einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen werden, in der Alternativen geprüft und die Öffentlichkeit beteiligt wird.
Die Umweltinformationsrichtlinie: Angesichts des Verweises auf das Amtsgeheimnis ist damit zu rechnen, dass die Unterlagen des Standortentwicklungsbeirates nicht öffentlich zugänglich sind. Dies steht im direkten Widerspruch zum Recht auf Zugang zu Umweltinformationen.

Weitere Richtlinien: Unvollständige Prüfungen bedeuten, dass potentiell die Verletzung aller anderen europäischen Umweltgesetzgebungen. Eingriffe in Luftgüte, Wasserqualität, Abfallwirtschaft und geschützte Arten sowie Lebensräume wären dann Verstöße gegen die Luftqualitäts-Richtlinie, die Wasserrahmen-Richtlinie die Abfallrichtlinie, bzw. die Flora-Fauna-Habitat (FFH)- und die Vogelschutz-Richtlinie der EU.

Die Aarhus Konvention. Sämtliche zuvor genannten Rechtsbrüche verletzen ebenso die Aarhus Konvention, die die Rechte der Öffentlichkeit in Umweltfragen verbindlich festschreibt.

„Das europäische Recht soll zumindest gemeinsame Mindeststandards gewährleisten. Wir setzen darauf, dass die Europäische Kommission der Bundesregierung klar signalisieren wird, dass sie das vorsätzliche Ausschalten dieser Mindeststandards durch die Wirtschaftsministerin nicht duldet und entsprechende Maßnahmen setzt“, so Alge abschließend.

Die Unterzeichnenden:
Alexander Egit, Geschäftsführer Greenpeace CEE
Andrea Johanides, Geschäftsführerin WWF Österreich
Helmut Dungler, Gründer und Stiftungspräsident VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Leonore Gewessler, Geschäftsführerin GLOBAL 2000
Peter Weish, Präsident Forum Wissenschaft und Umwelt
Robert Lechner, Österreichisches Ökologie Institut
Roman Türk, Präsident Naturschutzbund Österreich
Thomas Alge, Geschäftsführer ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung
Willi Nowak, Geschäftsführer VCÖ – Mobilität mit Zukunft

Links:
Beschwerde an die Europäische Kommission


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /