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Die Energiewende lässt die Strompreise explodieren - Stimmt das?

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Eingestellt 11, Jul 2012 in Energiewende von Anonym

Die Energiewende lässt die Strompreise explodieren - Stimmt das?

   

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Beantwortet 11, Jul 2012 von Stefan Preiß (100 Punkte)

In den vergangenen Wochen ist immer wieder die Wirkung der Energiewende auf die Entwicklung der Strompreise diskutiert worden. Der Tenor dabei ist, dass der Umbau des Energiesystems eine erhebliche Steigerung der Strompreises mit sich bringt. Häufig wird die Debatte nicht differenziert genug geführt. Konkret sollte zumindest das Folgende bedacht werden: * Die Brutto-Strompreise für Dreipersonenhaushalte sind im Zeitraum 2001 bis 2010 um rund 66 Prozent (43 Prozent inflationsbereinigt) gestiegen. Die derzeit als "Preistreiber" beklagten Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien haben in diesem Zeitraum kaum eine Rolle gespielt. Demnach sind die Strompreise schon "vor" der Energiewende auf einem steilen Wachstumspfad gewesen. In der Debatte um zukünftige Strompreisentwicklungen sollte man mithin nicht die Situation "mit Energiewende" vergleichen mit einer kostenstabilen Entwicklung, die es ohnehin nicht geben würde. * Mit Blick auf einen grundlegenden Umbau des EEG zur Verhinderung einer "Kostenexplosion" etwa durch den Stopp der Förderung neuer EEG-Anlagen ist zu beachten, dass der Großteil der Kosten für die Vergütung von Bestandsanlagen aus den vergangenen Jahren aufgewendet werden muss. Auch ein Stopp der Förderung von Neuanlagen schmälert diesen Kostenblock mit Fixvergütungen nicht (wäre gleichzeitig aber geeignet, die heimische Erneuerbaren-Industrie zu gefährden). Tatsächlich kostet der Zubau von 1 GW an Photovoltaikleistung heute nur noch einen Bruchteil eines gleich großen Zubaus im Jahr 2008. Mit anderen Worten: Der Ausbau der Erneuerbaren wird immer billiger und begründet unter sonst gleichen Bedingungen einen geringeren Anstieg des Strompreises als noch vor wenigen Jahren. * Die allermeisten Experten gehen davon aus, dass die EEG-Umlage im Jahr 2013 deutlich steigen wird. Aber auch hier lohnt sich ein zweiter Blick. Die EEG-Differenzkosten ergeben sich grob gesprochen als Abstand zwischen der fixen Vergütung (etwa für Solarstrom) und den Erlösen aus der Vermarktung des Stroms im Spotmarkt der Stromhandelsbörse. Die bis zum heutigen Tag errichteten PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 28 bis 29 GW erhalten eine gesetzlich bestimmte Vergütung für jede produzierte kWh. Die Strompreise am Spotmarkt sind zuletzt aber deutlich gesunken (http://www.euwid-energie.de/news/neue-energien/einzelansicht/Artikel/spotmarkt-grosshandelspreis-fuer-strom-im-juni-bei-3881-EURmwh.html). Damit steigt der Abstand zwischen Vergütung und Erlösen und im Ergebnis der Deckungsbedarf, der über die EEG-Umlage finanziert wird. Verantwortlich für die fallenden Preise an den Strombörsen sind aber zuletzt insbesondere hohe Mengen an Wind- und Solarstrom gewesen, die mit Vorrang eingespeist werden und damit andere Erzeugungsformen entlang der so genannten "Merit Order" aus dem Markt drängen, woraus sinkende Großhandelspreise resultieren. Ergebnis ist der paradoxe Effekt, dass hohe Einspeisemengen erneuerbarer Energien zwar den Großhandelspreis senken, damit aber die EEG-Differenzkosten erhöhen und den Versorgern damit ein Argument zur Erhöhung der Stromtarife liefern. (Vgl. zu den aktuellen Bewegungen auf dem EEG-Umlagekonto nachstehenden Link: http://www.euwid-energie.de/news/neue-energien/einzelansicht/Artikel/finanzierung-der-energiewende-eeg-umlagekonto-rutscht-im-juni-mit-224-mio-EUR-ins-minus.html) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine simplifizierende Zuweisung der Verantwortung für steigende Strompreise in Richtung Energiewende und Ausbau der erneuerbaren Energien nicht sachgerecht ist. Richtig ist, dass mit einem Anstieg der EEG-Umlage und der Kosten für den Netzausbau zu rechnen ist. Für beides sind monokausale Schuldzuschreibungen aber unangebracht: Bei der EEG-Umlage sind beispielsweise auch vermehrte Ausnahmen für industrielle Stromnutzer mitverantwortlich für den Kostenanstieg. Und beim Netzausbau ist anzumerken, dass hier in den vergangenen Jahren ohnehin ein Investitionsstau aufgelaufen ist, der auch unabhängig von der Energiewende in den kommenden Jahren abgebaut werden müsste. (Vgl. hierzu auch: http://www.unendlich-viel-energie.de/de/detailansicht/article/4/herausforderungen-im-stromnetz-sind-loesbar.html). Interessant wird es auch sein zu beobachten, inwiefern die Versorger die derzeit günstigen Bezugskonditionen, die sich auch in den Preisen am Terminmarkt widerspiegeln, in ihre Tarifkalkulation einfließen lassen. Die Energiewende bringt erhebliche Herausforderungen mit sich, bietet aber auch große Chancen. Eine Reduzierung auf eine verkürzt geführte Strompreisdebatte ist eher geeignet, Ängste zu schüren, als die Potenziale der Energiewende herauszuarbeiten. Vor allem wird der Blick aber von den mindestens gleichrangigen Fragen etwa der Netzintegration erneuerbarer Energien und der Notwendigkeit schneller Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz abgelenkt.

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