© Kerschhofer/Umweltdachverband - Pressegespräch in Wien
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Generalangriff auf Umweltstandards statt weniger Bürokratie?

Umweltdachverband & Umweltanwaltschaften: Verwaltungsreform zum UVP-Gesetz und zur GewO-Novelle bringen Senkung von Umwelt- und Qualitätsstandards sowie massive Entdemokratisierung

Wien - Eigentlich sind weniger Bürokratie und und raschere Umweltverfahren Ziele der Reform der Umweltverträglichkeitsprüfung und von gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, die am 13. Dezember vom Ministerrat beschlossen werden könnten. ‘Nimmt man die Gesetzesentwürfe allerdings genauer unter die Lupe, dann zeigt sich die geplante Reform als Generalangriff auf die Umwelt. Statt einer Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung würden die angestrebten Änderungen eine einschneidende Herabsetzung der bewährten Qualitätsstandards der Umweltverfahren bringen, massiv in die Parteienrechte eingreifen und die Verfahren sogar langsamer machen – zu Lasten aller, auch der Unternehmen’, ist Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes, entsetzt.

UVP-G-Novelle: Heraus aus dem Verwaltungsreformpaket!

‘Die UVP-G-Novelle zeichnet insgesamt ein Bild, wonach UVP-Verfahren zu Lasten der Verfahrensqualität, der Parteien und des Services für ProjektwerberInnen massiv geschwächt werden sollen: kleinerer Prüfungsumfang, Wegfall von Stellungnahmerechten für LandesumweltanwältInnen, Gemeinden und Umweltbundesamt im Vorverfahren, kürzere Maximalfristen für die Erteilung von Verbesserungsaufträgen, ‚Kaltstellung‘ der Gemeinden als UVP-Parteien und unnötige Verfahrenshürden für Umweltorganisationen,’ sagt Barbara Weichsel-Goby, Projektleiterin Umweltrecht im Umweltdachverband. ‘Summa summarum ist der vorliegende Novellenvorschlag in der jetzigen Form nicht akzeptabel. Aufgrund des Anpassungsbedarfs an die EU-rechtlichen Vorgaben wird eine umfassende Änderung des UVP-Gesetzes im Jahr 2017 notwendig sein. Die jetzige Novelle setzt keinen einzigen der für die Herstellung der Europarechtskonformität nötigen Punkte um. Wir fordern Bundeskanzler Kern, Vizekanzler Mitterlehner und die zuständigen Ressortchefs – BM Rupprechter und BM Leichtfried – daher auf, das UVP-G aus dem Verwaltungsreformpaket herauszunehmen und bis Mai 2017 an einer sauberen, den europarechtlichen Vorgaben entsprechenden Lösung – unter entsprechender frühzeitiger Einbindung der betroffenen Stakeholder – zu arbeiten’, meint Maier.

Und noch ein Rückschritt für die Umwelt!

‘Auch die GewO-Novelle würde nicht hinnehmbare Einschnitte für die Umwelt im Anlagenverfahren bringen: Die Entscheidung, ob eine Anlage im vereinfachten Verfahren geprüft wird, soll künftig getroffen werden, ohne vorher zwingend die fachliche Prüfung zur Gefährlichkeit (Unbedenklichkeitsprognose) der Anlage durchgeführt zu haben. Die Schwelle für vereinfachte Anlagengenehmigungsverfahren auf diese Art und Weise zu senken, ist umweltpolitisch nicht hinnehmbar’, bemerkt Weichsel-Goby. ‘Auch die geplante Neuregelung der Verfahrenskonzentration ist ein massiver Anschlag auf die Interessen der Länder und Gemeinden. Geplant ist nämlich, dass durch die Gewerbebehörde im betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsverfahren u. a. die bautechnischen und naturschutzrechtlichen Bestimmungen mitangewendet werden sollen. Wohlgemerkt, es heißt nicht baurechtliche Bestimmungen! In den Erläuterungen wird als Vorbild auf das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002 verwiesen – und dort muss eine Übereinstimmung der jeweiligen Vorhaben mit der festgelegten Flächenwidmung jedenfalls nicht vorliegen’, führt der NÖ Landesumweltanwalt Thomas Hansmann ergänzend aus. ‘Im Ergebnis würde das heißen, dass, wenn die Flächenwidmung und andere raumordnungsrechtliche Vorgaben im Gewerberechtsverfahren nicht maßgeblich sein sollten, sämtliche Bemühungen und Lenkungseffekte von Ländern und Gemeinden betreffend der Abstimmung von Nutzungen obsolet wären. Gewerbliche Betriebsanlagen könnten hinsichtlich der Standortwahl gänzlich unabhängig von raumplanerischen Vorgaben der Länder und Gemeinden errichtet werden, etwa im Grünland. Zusätzlich ist noch anzumerken, dass trotz der Mitanwendung von naturschutzrechtlichen Normen in dieser Verfassungsbestimmung keine Parteistellung der Umweltanwaltschaften aufscheint’, so Andrea Schnattinger, Wiener Umweltanwältin.

Der Umweltdachverband und die Umweltanwaltschaften sind sich vollends einig: ‘JA zu Bürokratieabbau, aber NEIN zu Placebos für die Unternehmen, die in Wahrheit zu Lasten der Umwelt gehen. Wir fordern daher, das UVP-Gesetz und auch die Gewerbeordnung am kommenden Dienstag im Ministerrat NICHT zu beschließen, sondern von Grund auf neu zu verhandeln!’


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /