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Stahl­in­dustrie: Grüner Wasser­stoff hilft Energie sparen

von | 12. September 2016

Wie kann grüner Wasser­stoff dezentral etwa direkt bei der Industrie per Elek­trolyse produ­ziert werden? Wie kann Abwärme zur gezielten Effi­zi­enz­stei­gerung nutzbar gemacht werden? 

Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich das Projekt GrInHy (für Green Indus­trial Hydrogen via rever­sible high-​temperature elec­tro­lysis), an dem die Dresdner Sunfire feder­führend beteiligt ist.

Indus­trielle Abwärme verpufft oft ungenutzt, obwohl die Poten­ziale enorm sind. Das gerade gestartete Horizon 2020-​Projekt GrInHy will dies durch die Inte­gration einer rever­siblen Elek­trolyse in die Indus­trie­pro­zesse eines Stahl­werks ändern. Unter Einbe­ziehung rege­ne­ra­tiver Energien wird effizient und kosten­günstig grüner Wasser­stoff produziert.

Ein Teil der Abwärme wird für die Wasserdampf-​Elektrolyse verwendet – dadurch steigt der Wirkungsgrad auf 80 %. Die Vermeidung von CO2-​Emissionen soll auch den Weg der EU-​Kommission zu einer wett­be­werbs­fä­higen, kohlen­stoff­armen Wirt­schaft unterstützen.

Von kW bis MW skalierbar

Das Vorhaben „Green Indus­trial Hydrogen via rever­sible high-​temperature elec­tro­lysis“ wird von acht Partnern aus Deutschland, Italien, Spanien, Finnland und Tsche­chien reali­siert und bei der Salz­gitter Flach­stahl GmbH umgesetzt. Feder­führend entwi­ckelt Sunfire die Hochtemperatur-​Elektrolyse als Kern­tech­no­logie des Projekts. Das modulare System soll eine Eingangs­leistung von 150 Kilowatt haben und bis zu mehreren Megawatt skalierbar sein. Die Anlage ist rever­sibel verwendbar, dient also nicht nur als Elek­trolyse zur Gewinnung von grünem Wasser­stoff, sondern auch als Brenn­stoff­zelle zur Netzstabilisierung.

Container mit einer reversiblen Elektrolyse. Foto: Sunfire Brennstoffzelle, Wasserstoff

Container mit einer rever­siblen Elek­trolyse. Foto: Sunfire

Im Elektrolyse-​Modus wird grüner Wasser­stoff auf Basis von Strom für die Stahl­pro­duktion erzeugt. Die Spaltung des Wassers in Wasser­stoff und Sauer­stoff erfolgt auf Basis von gasför­migem Wasser, also Wasser­dampf. Das ermög­licht die Verwendung von Abwärme in Form von Dampf direkt aus der Stahl­pro­duktion. Die Hochtemperatur-​Elektrolyse erreicht so eine elek­trische Effizienz von 80 %. Im Brennstoffzellen-​Modus hingegen erzeugt die Tech­no­logie Wärme zur Zuführung ins Stahlwerk und Strom zur Netz­sta­bi­li­sierung. Als Brenn­stoff dienen dann äußerst flexibel entweder Wasser­stoff oder Erdgas.

Wasser­stoff wird im Stahlwerk in Salz­gitter beispiels­weise zur Erzeugung einer Schutzgas-​Atmosphäre zum Ausschluss von Sauer­stoff, verwendet. Dies verhindert die Oxidation des Stahls während des Glüh­pro­zesses und verbessert bei Einsatz von grünem Wasser­stoff die Umwelt­bilanz des Endpro­duktes (Product Carbon Footprint). Um die Qualität des grünen Wasser­stoffs sicher­zu­stellen, entwi­ckelt Projekt­partner Boeing Research & Tech­nology Europe S.L.U. Spanien eine „Hydrogen Processing Unit“.

Profi­teure der EEG-Ausnahmen

Welche Bedeutung das Verfahren für eine Branche haben könnte, die schon üppig von Ausnah­me­re­ge­lungen beim EEG profi­tiert, zeigen die folgenden Zahlen:

42,7 Millionen Tonnen Rohstahl wurden hier­zu­lande im vergan­genen Jahr produ­ziert. Damit ist die Stahl­branche zwar ein bedeu­tender Wirt­schafts­faktor, aber gleich­zeitig auch für einen beträcht­lichen Teil der bundes­weiten CO2-​Emissionen verant­wortlich. Im Jahr 2014 waren es 51,4 Millionen Tonnen. Das entspricht 6,4 %. Seit 1990 haben die Stahl­pro­du­zenten ihren CO2-​Ausstoß durch Verbes­se­rungen in Energie‑, Ressourcen- und Prozess­ef­fi­zienz um 19 % gesenkt. Ange­sichts des ab 2020 verschärften CO2-​Zertifikate-​Handels ist jede weitere Reduktion sinnvoll, um die Stahl­pro­duktion auch mittel­fristig in Deutschland halten und die bran­chen­spe­zi­fi­schen Klima­schutz­ziele der EU bis 2050 erreichen zu können.

Das Verfahren ist reversibel, kann also in beide Richtungen verlaufen. Grafik: GrInHy Elektrolyse, Brennstoffzelle, Sunfire, Stahlindustrie, Wasserstoff

Das Verfahren ist rever­sibel, kann also in beide Rich­tungen verlaufen. Grafik: GrInHy

Die rever­sible Elek­trolyse wird aber nicht nur für den Einsatz in Stahl­werken entwi­ckelt, sondern ebenfalls für andere Anwen­dungs­felder. In der Solar­in­dustrie bei der Silizium-​Produktion dient der Wasser­stoff als Reak­ti­onsgas mit Trichlor­silan. Im Chemie­sektor gilt Wasser­stoff in vielen Prozessen als wich­tigstes Molekül, etwa bei der Produktion von Ammoniak, Methanol oder Produkten auf Basis von Petroleum. Wird Floatglas produ­ziert, hat Wasser­stoff die Aufgabe, eine sichere Atmo­sphäre zu erzeugen. Im Strom­sektor wird Wasser­stoff zur Kühlung großer Gene­ra­toren benötigt.


Beiträge zum Thema Ener­gie­ef­fi­zienz, in das auch diese indus­trielle Lösung fällt, bietet Energieblogger-​Kollege Andreas Kühl hier auf seinem Blog Energynet.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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