Photovoltaik-Handelsstreit: „56 Cent bis zum Sankt Nimmerleinstag“

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Im Photovoltaik-Handelsstreit in Europa stehen sich die beiden Lager weiter unversöhnlich gegenüber und werben für ihre Position. Das war auch auf der gerade zu Ende gegangenen Intersolar Europe in München nicht anders. Während EU Prosun die im Dezember 2015 von der EU-Kommission eingeleitete Auslaufprüfung der Mindestpreise für chinesische Photovoltaik-Hersteller beantragt hatte und eine Fortsetzung der Maßnahmen fordert, kämpft auf der anderen Seite die Vereinigung Solar Alliance for Europe (SAFE) dafür, dass die Mindestimportpreise enden.

Das Prozedere in Brüssel scheint ziemlich klar. Die EU-Kommission in Brüssel hat bis Anfang März 2017 Zeit zu entscheiden, ob sie die Anti-Dumping- und Anti-Subventionsmaßnahmen verlängert oder eben nicht. Vielleicht falle die Entscheidung schon bis zum Jahresende, wahrscheinlicher sei aber erst kurz vor Auslaufen der Frist, erklärt Milan Nitzschke, Präsident von EU Prosun und zugleich Konzernsprecher von Solarworld auf einer Veranstaltung während der Intersolar Europe. Die europäischen Photovoltaik-Hersteller stützten das Vorgehen der Organisation. Im Zuge der Auslaufprüfung hätten alle 20 von der EU-Kommission befragten Hersteller für Eröffnung des Verfahrens bei Modulen unterstützt. Bei der Auslaufprüfung von Solarzellen seien es immer 18 von 20 Produzenten in Europa gewesen.

Auch sei festzustellen, dass gerade im Bereich der Zellfertigung einige Ankündigungen von Investitionen in die Reaktivierung oder den Neubau von Fabriken gebe. Nach Erhebungen von EU Prosun gibt es derzeit in Europa wieder mehr als 100 Zell- und Modulfabriken, wobei 11 Werke eine Kapazität von mehr als 200 Megawatt aufwiesen. Die Modulproduktion in der EU habe 2015 bei wieder mehr als vier Gigawatt gelegen und sei wie der EU-Photovoltaik-Markt gegenüber 2014 leicht gewachsen. Die durchschnittliche Auslastung der Werke lag allerdings nur bei etwa 50 Prozent. Für dieses Jahr sei von einer weiteren Steigerung auf fast fünf Gigawatt auszugehen. Diese Entwicklung sei nicht zuletzt auf die Schutzmaßnahmen für die europäischen Hersteller zurückzuführen.

Mit eineraktualisierten IHS-Studie argumentiert dagegen SAFE, dass die Modulproduktionskosten weltweit seit Jahresanfang 2015 um weitere 8 bis 13 Prozent zurückgegangen sind. Der aktuelle Mindestimportpreis für in China produzierte Solarmodule von 56 Cent pro Wattpeak sei daher viel zu hoch und habe nichts mit dem aktuellen Marktpreis zu tun. Er müsse daher rasch abgeschafft werden, damit auch Europa wieder von den günstigeren Modulpreisen profitieren könne, heißt es bei SAFE. Die Vereinigung hatte sich im Sommer 2015 zusammengeschlossen. Darin haben zahlreiche Projektierer in Deutschland ihre Interessen gebündelt, aber auch Wacker Chemie ist vertreten.

Dabei ist der Mindestimportpreis sogar der neuralgische Punkt an dem Befürworter und Gegner zusammenfinden könnten. Selbst EU Prosun ist mit der derzeitigen Regelung zur Ermittlung des Mindestimportpreises durch die EU-Kommission nicht vollends zufrieden. Die Solarworld geführte Vereinigung scheiterte aber bereits mit einem Antrag in Brüssel, den Mechanismus zu ändern. Nitzschke rief nun auch die anderen Verfahrensbeteiligten – zu denen auch SAFE gehört – auf, ihre Vorschläge bei der EU-Kommission einzureichen, wenn sie Änderungen wollten. Brüssel entscheide derzeit nur darüber, ob die Mindestimportpreisregelung verlängert werde oder eben auslaufe. „Am Mindestpreis selbst wird sich aber nichts ändern und wenn keine Vorschläge kommen, dann werden die 56 Cent bis zum Sankt Nimmerleinstag gelten“, sagte Nitzschke – auch mit Blick auf die Bearbeitungszeit von zwölf Monaten durch Brüssel für mögliche Veränderungen.

EU Prosun-Präsident Milan Nitzschke will derweil das Argument, der Mindestpreis sei Schuld an dem nach 2012 stark eingebrochenen Photovoltaik-Markt in Europa nicht gelten lassen. Er verweist dafür zum einen auf Aussagen der chinesischen Handelskammer CCCME – eine Quelle, die er gewöhnlich nicht zitieren würde -, die vor allem die politisch erzwungenen Einschnitte bei der Solarförderung in Deutschland, Spanien und Italien für den starken Rückgang der Nachfrage nach 2012 verantwortlich macht. EU Prosun geht nach der Trendwende 2015 in Europa auch in diesem und dem kommenden Jahr von einer weiteren Erholung und einem leichten weiteren Anstieg des Photovoltaik-Zubaus in der EU aus. Dafür müsse vor allem mehr positive Werbung für die Photovoltaik gemacht werde, die eine wachsende Wirtschaftlichkeit aufweise, meint Nitzschke. Nicht zuletzt die leistungsstärkeren und langlebigeren Solarmodule würden dazu beitragen, dass die Stromgestehungskosten für die Photovoltaik immer weiter gesunken seien – vor allem wenn man dies über die gesamte Lebensdauer der Anlagen rechnet.

Auch aktuelle Studien von Bloomberg New Energy Finance (BNEF) belegten, dass die Capex-Kosten für Photovoltaik in Deutschland, Italien und Frankreich mit die niedrigsten weltweit seien und sogar unter jenen in China, den USA und Japan rangierten – den Ländern mit aktuell den größten Zubauraten. In vielen Ländern Europas sei Photovoltaik zudem bereits konkurrenzfähig mit Wind-Onshore oder Braunkohle. Nitzschke forderte die Wirtschaftlichkeit der Photovoltaik wieder stärker in den Fokus zu rücken, um so auch den Zubau wieder anzukurbeln.

Installateure sehen mehrheitlich keine Auswirkungen durch Mindestimportpreis

Im Auftrag von EU Prosun befragte der Europressedienst mehr als 500 Installationsbetriebe in den 28 EU-Staaten nach ihrer Meinung zum Photovoltaik-Handelsstreit und den geltenden Mindestimportpreisen. Dabei gab ein Großteil an, dass er davon ausgehe, dass die chinesischen Photovoltaik-Hersteller stark staatlich subventioniert würden sowie einen besseren Zugang zu Kapital hätten und daher ihre Solarmodule deutlich billiger verkaufen könnten als die europäische Konkurrenz. In der IHS-Studie von SAFE werden vor allem die sehr großen Fertigungen, der Zugang zu einer dichten Lieferkette vor Ort und die Konzentration auf wenige Produkte als großer Wettbewerbsvorteil der asiatischen, speziell chinesischen Hersteller gesehen.

Bei den befragten Installationsbetrieben sprechen sich 57 Prozent dafür aus, die Maßnahmen zu verlängern, wenn die EU-Kommission weiterhin Verstöße gegen geltendes Handelsrecht feststellten. 24 Prozent fänden eine Verlängerung in diesem Fall „nicht berechtigt“. Dabei zeigt die Befragung aber auch, dass mit 88 Prozent eine deutliche Mehrheit auch künftig außerhalb Chinas gefertigte Solarmodule in Europa erhalten wolle. Eine direkte Auswirkung der Mindestimportpreise auf das eigene Geschäft verzeichnen auch nur wenige Unternehmen. Mehr als 60 Prozent sehen „keine Auswirkungen“ – bislang und auch für den Fall einer Fortsetzung – für das eigene Geschäft. Auch beim Nachfragerückgang in Europa in der Vergangenheit machen die meisten Installationsbetriebe die Kürzungen bei der Solarförderung und auch die Belastung von Photovoltaik-Eigenverbrauch verantwortlich – etwa fünf Prozent sehen die Einführung von Anti-Dumping-Maßnahmen als Ursache an. (Sandra Enkhardt)

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