© Aktionsbündnis TTIP
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TTIP-Geheimpapiere: Ein Angriff auf Demokratie und Transparenz

Demokratie braucht Transparenz- Österreichs Bundesregierung muss TTIP Veto einlegen - Geheime Texte liegen offen und zeigen dass extremste Regulierungen möglich wären.

Amsterdam/Berlin/Brüssel/Wien - Heller Wahnsinn, was hier im Geheimen ausverhandelt wird. Sogar rückwirkend wäre es möglich, mit dem äußerst umstrittenen Handelsabkommen TTIP sämtliche bestehenden Standards und Regularien zum Schutz von Umwelt und von Verbrauchern kippen.

Dies zeigt eine umfassende Analyse der heute von der Pressestelle von Greenpeace Niederlande veröffentlichten Verhandlungstexte. Die TTIP-Texte belegen, dass die US-Seite Mechanismen vorschlägt, um etwa auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln oder Regeln zu Erneuerbaren Energien als Handelshemmnis einzustufen. Im Kapitel zur regulatorischen Kooperation fordern die USA, dass Regularien, die den Handel hemmen, auch nachträglich zurück genommen werden dürfen. Es ist das erste Mal, dass große Teile der bislang geheimen US-amerikanischen TTIP-Positionen öffentlich werden.

‘Bei den Verhandlungen soll hinter verschlossenen Türen ein mächtiger Rammbock gezimmert werden, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann. Das Geheimabkommen TTIP muss genauso gestoppt werden wie der EU-Kanada Handelspakt CETA, der uns TTIP durch die Hintertüre bringen würde’, fordert Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace in Österreich, ‘Doch dafür muss die österreichische Bundesregierung aus ihrem TTIP-Winterschlaf erwachen und ein Veto gegen beide Handelspakte beschließen.’

Die USA sehen etwa im europäischen Verfahren zur Zulassung von Chemikalien (REACH) ein Handelshemmnis. Würde die US-Position in der jetzigen Form angenommen, könnten Maßnahmen zur Umsetzung von REACH auch rückwirkend durch TTIP ausgehebelt werden. Umweltschützer hatten jahrelang für REACH gekämpft. Das Verfahren ist 2007 in Kraft getreten und hat die Zulassung von mehreren Tausend gefährlichen Chemikalien verhindert.

In der Nacht zum Montag haben Greenpeace-Aktivisten in Deutschland gegen die undemokratische Geheimhaltung protestiert und Teile des bislang geheimen Verhandlungstexts auf den Reichstag in Berlin projiziert. ‘Demokratie braucht Transparenz’ forderten die Aktivisten mit Leuchtschrift auf dem Giebel des Gebäudes. Beim Brandenburger Tor, stellten Greenpeace-Aktivisten einen gläsernen Leseraum auf, in dem die nun veröffentlichten Verhandlungstexte für jedermann einsehbar sind.

‘Dieser Vertrag geht jeden von uns an. Jeder muss nachlesen können, was uns mit TTIP drohen würde’, so Egit, ‘Hinterzimmerdeals wie TTIP und CETA passen nicht zu Demokratien. Beide Handelspakte müssen sofort gestoppt werden. Die österreichische Bundesregierung kann dabei eine entscheidende Rolle spielen.’

Hormone und Gentechnik über die Hintertüre

Besonders sensible Themen sind laut den Berichten in den geleakten Textstellen enthalten, wie der Einsatz von Wachstumshormonen in der Fleischproduktion, Kosmetika oder Gentechnik. Heidemarie Porstner: ‘Gentechnik ist von Beginn der Verhandlungen an ein heiß umstrittenes Thema. Die Unterschiede zwischen EU und USA sind hier gravierend.’ Während in der EU gerade mal eine einzige gentechnisch veränderte Pflanze für den Anbau zugelassen ist und der Gentechnikanbau 0,1 Prozent der hiesigen Landwirtschaft beträgt, sind es in den USA über 44 Prozent der gesamten Landwirtschaft. Porstner: ‘Von Anfang an forderten die USA, dass die EU ihre strenge Gentechnik-Regulierung aufgibt, um mehr US-Importe zu ermöglichen.’

Wie sensibel das Thema ist, zeigt sich auch an der Reaktion zum nationalen Selbstbestimmungrecht für den Gentechnik-Anbau in der EU. Seit letztem Jahr können damit EU-Staaten Gentech-Pflanzen auch verbieten, selbst wenn sie auf EU-Ebene zugelassen sind. Die EU-Kommission wollte damit auch ein Zeichen Richtung USA setzen und damit die Zulassung auf EU-Ebene erleichtern.

Der US-Chefverhandler hat damals unmissverständlich klar gemacht, dass er diese zusätzliche Autonomie der EU-Staaten klar als Handelshemmnis sieht und dies eine Verletzung der Vereinbarungen rund um TTIP darstelle.

< Volle Transparenz notwendig- So ist keine Zustimmung möglich

‘Meine große Skepsis gegenüber TTIP wurde durch die jüngst veröffentlichten Berichte bestätigt. Diesem Handelsabkommen kann derzeit sicher nicht zugestimmt werden. Die zu Recht bestehenden Bedenken der Bevölkerung müssen ernst genommen werden. Private Schiedsgerichte sind zwischen entwickelten Rechtsräumen nicht notwendig und daher in TTIP abzulehnen. Und auch die Aushöhlung unserer hart erkämpften Sozial-, Umwelt und Lebensmittelstandards ist nicht zu akzeptieren’, bekräftigte Bundeskanzler Werner Faymann seine kritische Position zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA.

"Damit würden in Österreich gentechnisch veränderte Lebensmittel in unsere Supermarktregale drängen und Hormonfleisch sowie Produkte mit bei uns verbotenen Lebensmittelzusätzen auf unseren Tellern landen. Neben Gesundheitsrisiken - wie etwa gefährliche Pestizidrückstände -, würde dieser Anschlag auf unsere Lebensmittelstandards auch einen massiven Preisdruck auf unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft auslösen, der in letzter Konsequenz auch das Angebot an regionalen Biolebensmittel massiv gefährden würde", meint Bundespräsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen.

‘Wer etwas im Geheimen verhandelt, hat offenbar etwas zu verbergen. Diese Befürchtung hat sich nun durch die veröffentlichten TTIP-Verhandlungsdokumente bestätigt’, erläutert Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer und bekräftigt seine Forderungen der Offenlegung aller Vertragsinhalte und einer zwingenden Volksabstimmung über den EU-US-Handelspakt durch die österreichische Bevölkerung. Hofer: ‘Alles andere kommt einem Anschlag auf unsere Demokratie und unsere hart erkämpften Standards gleich.’

‘Die USA verhandeln mit der EU nicht auf gleicher Augenhöhe’, das - so AK Präsident Rudi Kaske – belegen die heute veröffentlichten geheimen Verhandlungsdokumente. ‘Die Liste unserer Kritikpunkte ist lang und wird offenkundig auch nicht kürzer, im Gegenteil. Die Menschen kritisieren zu Recht die Intransparenz. Die massiven Bedenken gegen die Verträge aus sozialen, ökologischen und demokratiepolitischen Gründen sind zu verstehen und müssen ernst genommen werden, verlangt Kaske.

"Unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich damit." sagt SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz, Mitglied im zuständigen Ausschuss für internationalen Handel des Europäischen Parlaments.

Schon beim Treffen mit dem US-Handelsbeauftragten und TTIP-Chefverhandler Bryant Trick im Palais Epstein blieben viele Fragen offen, kritisiert der Team Stronach Wirtschaftssprecher, wie zum Beispiel, ‘wer würde denn Probleme bekommen, wenn wir dem Freihandelsabkommen nicht zustimmen?’. Auch die Versprechen rund um TTIP seien mittlerweile gleich mehrfach wiederlegt worden, ‘Studien zeigen nur ein minimales Wachstum; Zusagen, dass heimische Standards nicht abgesenkt werden, können nicht gehalten werden’, so Team Stronach Wirtschafts- und Konsumentenschutzsprecher Leo Steinbichler.

Für die Tier- und Naturschutzbewegung wäre TTIP ein Schlag ins Gesicht: ‘Weitere Fortschritte in Sachen Tier-, Natur- und Artenschutz könnten dadurch praktisch unmöglich werden und mühsam erkämpfte Errungenschaften, wie etwa das Verbot von Käfighaltung bei Legehennen innerhalb der EU, würden dadurch unterminiert’, so die Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins, Madeleine Petrovic.

Konkret wollen die USA das in Europa geltende Vorsorgeprinzip abschaffen, das Produkte nur erlaubt, wenn sie nachweislich für Mensch und Umwelt unschädlich sind. Stattdessen droht die Einführung des in den USA angewandten Risikoprinzips, das genau umgekehrt funktioniert: Erst einmal darf alles auf den Markt. Erst wenn eine Schädlichkeit eines Produkts bewiesen werden kann, darf die Behörde zum Schutz der Gesundheit aktiv werden. Das ist auch der Grund, warum in den USA mehr als 170 gentechnisch veränderte Pflanzen für den Anbau zugelassen sind, in Europa nur eine. Das Abkommen bedroht damit Rechte und Gesetze, die über Jahrzehnte mühsam erkämpft wurden.

Bundesregierung muss jetzt handeln – Nein zu CETA und TTIP!

Die große Mehrheit der ÖsterreicherInnen (71%) lehnen TTIP und CETA klar ab. Über 150.000 Menschen in Österreich haben die selbstorganisierte Europäische BürgerInneninitiative gegen TTIP und CETA unterzeichnet. Dies ist ein klarer Auftrag an die österreichische Bundesregierung, diesen Abkommen eine eindeutige Absage zu erteilen. Der österreichische MinisterInnenrat muss Wirtschaftsminister Mitterlehner verpflichten, CETA abzulehnen’ so das Bündnis TTIP STOPPEN.


Die Verhandlungstexte sind hier online: www.ttip-leaks.org


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /