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Strom bekommt ein Gesicht

Mit einem Softwareportal und einer kleinen Hardware steuert Lumenaza viele kleine Anlagen und Verbraucher. Damit können Stadtwerke, Energiegenossenschaften und Projektierer ein regionales Stromprodukt kreieren.

Wunsiedel ist eine kleine Stadt in Fichtelgebirge. Nur wenige Kilometer östlich beginnt die Tschechische Republik und im Norden ist es nicht mehr weit bis zur Grenze nach Thüringen. Die kleine oberfränkische Stadt hat aber Großes vor und einiges schon auf den Weg gebracht. Zu zwei Dritteln fließt Ökostrom durch die Netze der Stadtwerke Wunsiedel. Von den etwa 90 Millionen Kilowattstunden sind damit schon 60 Millionen Kilowattstunden erneuerbar.

Zum großen Teil stammt der Strom aus Windkraftanlagen, die auf den Bergen des Fichtelgebirges vor den Toren der Stadt stehen. Im Stadtgebiet selbst stehen aber auch 340 Solaranlagen. Bei einer Bevölkerung von knapp 10.000 Einwohnern ein beachtlicher Wert. Davon betreiben die Stadtwerke 20 Anlagen selbst. Die restlichen 320 Generatoren stehen auf privaten und gewerblichen Gebäuden oder Grundstücken. Dazu kommen noch mehrere Biogasanlagen. Insgesamt sind allein im Netzgebiet der Stadtwerke Wunsiedel Erzeugungsanlagen mit einer Leistung von über 20 Megawatt installiert.

Der Kunde will Transparenz

Das sind beachtliche Daten. Doch die Stadtwerke haben gleich mehrere Probleme. Das erste ist, den produzierten Strom auch an den Kunden zu bringen. Zudem erzeugen die Stadtwerke den Strom nicht komplett selbst. Ein großer Teil kommt aus den dezentralen Anlagen, die über das gesamte Netzgebiet verteilt sind. Diese stellen die Stadtwerke vor das nächste Problem. Denn die Anlagenbetreiber versorgen sich bis zu einem gewissen Grad selbst mit ihrem Strom. Nicht nur, dass die Stadtwerke damit zurechtkommen müssen, dass der restliche Strom ins Netz fließt und der Versorger dies entsprechend steuern muss. Die Selbstverbraucher senken zudem auch noch den Stromabsatz der Versorger und fallen Damit als Kunden teilweise aus. Auf der anderen Seite wollen die Stromkunden genau wissen, woher ihr Strom kommt. Ökostrom beziehen ist zwar schön und gut. Aus der Steckdose kommt allerdings Graustrom von der Börse.

Die Situation in der oberfränkischen Kleinstadt ist symptomatisch für den Strommarkt in ganz Deutschland. „Dieser ist ausgerichtet auf die zentralen Großkraftwerke. Doch die Landschaft der Stromerzeugung sieht inzwischen ganz anders aus. In Wirklichkeit haben wir heute 1,6 Millionen Stromerzeuger über die ganze Bundesrepublik verteilt“, sagt Christian Chudoba, Geschäftsführer von Lumenaza.

Einen Marktplatz schaffen

Das Berliner Unternehmen hat sich aufgemacht, die Probleme der Stadtwerke, aber auch der Energiegenossenschaften und Projektierer zu lösen. Denn auch diese wissen oft nicht, wohin mit ihrem Strom, außer ihn an der Börse zu verramschen. Mit der Lösung der Berliner kann der Bau von Solaranlagen wieder rentabel werden.

Dahinter steckt die Idee, Erzeuger und Verbraucher direkt zusammenzubringen. „Die Stadtwerke haben meist zwar eigene Erzeugungsanlagen, ob fossil oder erneuerbar, aber sie kaufen den größten Teil des Stroms an der Börse und vermarkten ihn dann weiter an ihre Kunden“, erklärt Chudoba. „Dabei haben sie die besten Voraussetzungen, einen eigenen Marktplatz zu kreieren.“

Ständig aktuelle Daten

Ähnlich ist die Situation auch bei den Energiegenossenschaften. Diese haben zwar die Anlagen und die Mitglieder, vermarkten aber den Strom zur größten Teil über die Einspeisevergütung. „Es gibt Millionen von Anlagen von klein bis groß, die alle nicht mehr dem Versorger gehören und völlig planlos in das gesamte System eingebunden sind“, erklärt Oliver March, Marketingchef bei Lumenaza. „Wir brechen diese Struktur herunter und balancieren Stromerzeugung und Verbrauch regional aus, so dass der Strom möglichst dort verbraucht wird, wo er auch produziert wird.“

Ein Marktplatz für Strom, auf dem Erzeuger und Kunden zusammenkommen, ist das Bild, das sich Christian Chudoba vorgestellt hat, als er die Idee entwickelte. Zusammen mit dem Softwareentwickler Bernhard Böhmer, der jetzt als Technischer Leiter bei Lumenaza arbeitet, hat er eine Kombination aus Steuerungssoftware und Hardware entwickelt.
Unscheinbar sieht die kleine Box aus, die die Anlagenbetreiber in den Schaltschrank installiert bekommen, wenn sie am Marktplatz teilnehmen wollen und bisher keine andere Kommunikationsmöglichkeit haben. Die fungiert als Gateway zwischen Anlage und Steuerungssoftware. „Das ist im wesentlichen ein kleiner Computer, der um ein paar Steuerungsschaltkreise erweitert wurde“, erklärt Chudoba. Lumenaza hat das Gerät selbst entwickelt und lässt es bei Ikoda, einem Hersteller von Leiterplatten, fertigen.

Die Daten vom Gateway fließen dann in die Steuerungssoftware. „Die Kommunikation läuft dabei über ein von uns selbst entwickeltes Protokoll“, erklärt Chudoba. „Dieses kommuniziert in Echtzeit mit minimalem Datenaufwand.“ Alle 2 Sekunden bekommt die Software aktuelle Daten von jeder an den Marktplatz angeschlossenen Anlage. Gleichzeitig bekommt sie die Daten von den Stromkunden. Damit stehen der aktuellen Erzeugung ebenso aktuelle Verbrauchsdaten gegenüber.

Die Steuerungssoftware gleicht die beiden Seiten aus. Auf der einen Seite kann sie ein Signal an das Gateway zurückschicken und die Anlagen auf einen bestimmten Wert herunterregeln. Auf der anderen Seite kann sie aber auch die Geräte beim Kunden steuern. „Bisher liegt die Funktionalität aber zu 90 Prozent auf der Produktionsseite“, sagt Chudoba mit Blick auf die Grenzen bei der Verbrauchssteuerung.

Diese würde sich ohnehin auf die großen Verbraucher im Haushalt und in den angeschlossenen Gewerbebetrieben beziehen. In der Regel sind dies Wärmepumpen oder andere elektrische Wärmeerzeuger, die den Strom als Wärme in große Pufferspeicher schicken können. „Es ist nicht nur utopisch, alle kleinen Verbraucher steuern zu wollen“, begründet Chudoba diese Grenzen. „Außerdem sind sie ohnehin von geringer Bedeutung beim Stromverbrauch. Die elektrische Wärmeerzeugung macht in den Haushalten und Unternehmen, die solche Geräte installiert haben, immerhin 80 bis 90 Prozent des gesamten Stromverbrauchs aus.“ (Sven Ullrich)

Den vollständigen Bereicht lesen Sie in der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift photovoltaik, die am 3. September erscheint.