29.06.2015, 15:28 Uhr

Prokon-Entscheidung naht: Genossenschafts-Freunde verstehen Verbraucher-Schützer nicht

Dortmund / Münster – Bis zur entscheidenden Gläubigerversammlung über die Zukunft des insolventen Windenergie-Projektierer und Betreibers Prokon sind es nur noch wenige Tage. Am Donnerstag, den 2 Juli 2015, werden die Prokon-Gläubiger über die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Ein Genossenschaftsmodell und die Übernahme durch den Energiekonzern EnBW stehen zur Debatte. Im Vorfeld schlägt die Diskussion über die bessere Lösung hohe Wellen.

Die Befürworter der Genossenschafts-Lösung sind in dem Verein "Die Freunde von Prokon e. V." zusammengeschlossen und haben sich am vergangenen Wochenende in Würzburg zur ordentlichen Mitgliederversammlung getroffen. Der Verein gibt sich zuversichtlich, hadert jedoch mit einigen Darstellungen der Genossenschafts-Variante in der Öffentlichkeit.

Verein zuversichtlich für das Ziel: Prokon wird Genossenschaft

Der Vereinsvorsitzende Wolfgang Siegel erklärte vor den über 130 Vereinsmitgliedern: "Ohne eure vielfältige und tatkräftige Unterstützung stünden wir heute nicht ganz kurz vor unserem Ziel: Prokon wird Genossenschaft". Denn am 2. Juli wird aller Voraussicht nach zunächst darüber abgestimmt, ob eine Genossenschaftslösung umgesetzt wird. Falls dieses Votum negativ ausfallen sollte, wird über die Alternative, nämlich die Übernahme durch den Energiekonzern EnBW, abgestimmt. Wenn die Gläubigerversammlung auch diese Möglichkeit ablehnt, kommt es wohl zur Zerschlagung des Unternehmens. Damit überhaupt über die Möglichkeit der Genossenschaft entschieden werden kann, müssen Zustimmungserklärungen der Gläubiger in Höhe von nominal 660 Mio. Euro vorliegen. Dies scheint offenbar erreichbar zu sein, da laut Insolvenzverwalter Dr. Dietmar Penzlin in der vergangenen Woche bereits rund 36.000 Zustimmungserklärungen eingegangen waren. Legt man bei diesen Zustimmungen das durchschnittliche Investment von etwa 20.000 Euro pro Anleger zugrunde, dann ergibt sich rechnerisch bereits eine Gesamtsumme von 720 Mio. Euro.

Höhe und Zeitpunkt der Zahlungen

Die unterschiedlichen Varianten hinsichtlich der Zukunft von Prokon bringen unterschiedliche Folgen für die Gläubiger mit sich. So beziffert der Insolvenzverwalter die Insolvenzquote im Falle einer Genossenschafts-Lösung mit nun ca. 57,8 Prozent. Im Falle der EnBW-Übernahme soll diese Insolvenzquote ca. 52,2 Prozent betragen und im Falle der Zerschlagung. ca. 48,5 Prozent. Doch für einige Anleger mag auch der Zeitpunkt der Zahlungen entscheidend sein. Laut EnBW würde ein Anleger, der Prokon-Genussrechte in Höhe von 10.000 Euro gezeichnet hatte, im Übernahmefall quasi sofort eine Zahlung von 3.410 Euro bekommen. Eine weitere Zahlung in Höhe von 1.810 Euro wird etwa für das Jahr 2017 in Ausschicht gestellt, wenn Unternehmensbereiche, die nicht zur Kerntätigkeit gezählt werden, veräußert worden sind. Im Genossenschaftsmodell werden diese Summen demnach schrittweise erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht, je nach Variante im Jahr 2025 oder 2030.

Verbraucherzentralen zeigen wenig Interesse an Gesprächen mit Prokon-Freunden

Der Vorstand des Vereins Freunde von Prokon bedauert allerdings auch die fehlende Gesprächsbereitschaft der Verbraucherzentralen. Sie würden in ihren Verlautbarungen von falschen Voraussetzungen ausgehen und hätten sich offenbar über die im Insolvenzplan detailliert beschriebenen Chancen und Möglichkeiten der Genossenschaftsbildung nicht informiert. So schreibt beispielsweise die Verbraucherzentrale Hamburg, dass die Entscheidung von der persönlichen Situation und Bewertung der Gläubiger abhänge. Sei man auf Barzahlungen angewiesen, so sollte man erwägen, der Übernahme durch EnBW zuzustimmen. Wenn die Anleger „nach wie vor von der Zukunft von Prokon überzeugt“ seien, sich "in der Genossenschaft gut aufgehoben" fühlten und außerdem weiter "bereit seien, dem Unternehmen Geldmittel zu überlassen", dann sollte man den Genossenschaftsplan abwägen. Dabei sollte klar sein, "dass die Geldanlage in einer Genossenschaft Risiken birgt, insbesondere kann im Fall einer Insolvenz auch hier das angelegte Geld verloren gehen". Über Darstellungen wie diese wollte der Verein mit den Verbraucherzentralen sprechen, doch ist es bislang nicht zu einer entsprechenden Unterredung gekommen, teilweise weil ein solches Gespräch von den Verbraucherschützern abgelehnt wurde. Ein vernichtendes Urteil fällt die Bundestagsabgeordnete Susanna Karawanskij von der Fraktion Die Linke. Ihrer Meinung nach gleichen die beiden zentralen Möglichkeiten für die Prokon-Zukunft einer "Wahl zwischen Pest und Cholera". Sie greift damit das Kleinanlegerschutzgesetz der Regierung an, das einen neuen "Fall Prokon" nicht verhindern würde.

EnBW musste Zahlen korrigieren

Aus Sicht der Freunde von Prokon ist zudem der legitime Wettstreit um Prokon von EnBW „mit unkorrekten Zahlen unfair geführt“ worden. Erst der Anwalt einiger Prokon-Belegschaftsmitglieder hatte dafür gesorgt, dass EnBW die Zahlen korrigieren musste. Hinter dem Genossenschaftsplan stehen übrigens die Ökoenergieanbieter und Naturstrom AG sowie Elektrizitätswerke (EWS) Schönau sowie die GLS Bank.

Quelle: IWR Online

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