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Pflanzen im Schatten der Photovoltaik

Das Fraunhofer ISE hat ein Projekt gestartet, um zu prüfen, wie sich Landwirtschaft und Photovoltaik ergänzen. Unter eine Testanlage werden Feldfrüchte und Salat angebaut. Das Konzept birgt ein Potenzial 25 bis 50 Gigawatt in Deutschland.

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) baut am Bodensee eine Testanlage auf einer bewirtschafteten Ackerfläche auf. Damit wollen die Freiburger Forscher überprüfen, ob die gleichzeitige Nutzung der Fläche für Photovoltaik und Landwirtschaft funktioniert. Zumindest wäre dies eine Lösung des aufkeimenden Konflikts zwischen Energie- und Nahrungsmittelerzeugung, was in den vergangenen Jahren immer wieder debattiert wurde. Denn im Zuge des Baus von Solarstromanlagen auf Ackerflächen wurde immer wieder kritisiert, dass diese Flächen dann für die Landwirtschaft nicht mehr nutzbar seien. Deshalb hatte die Bundesregierung in den vergangenen Jahren die Förderung solcher Anlagen aus dem EEG gestrichen und nur noch Freiflächenanlagen auf sogenannten Konversionsflächen unterstützt. Auch in der Debatte um das Ausschreibungsdesign für Solarparks hatte sich der Deutsche Bauernverband gegen die Nutzung von Ackerflächen für Photovoltaikanlagen ausgesprochen.

Mit der Testanlage, die das Fraunhofer ISE zusammen mit dem Projektentwickler Baywa auf der Fläche des Demeterhofes Heggelbach am Bodensee aufbaut, greifen die Freiburger eine Idee ihres früheren Institutsleiters Adolf Goetzberger auf. Er hatte das Konzept der sogenannten Agrophotovoltaik (APV) als technische Lösung zur optimalen Nutzung der begrenzten Ressource Land entwickelt. Denn neben dem Interessenkonflikt zwischen Nahrungsmittel- und Energiesicherheit schwindet mit dem Bau von Solaranlagen auf Ackerflächen auch die Akzeptanz der Energiewende bei den Bauern.

Konkurrenz der Landnutzung nimmt zu

Dabei nimmt die Landnutzungskonkurrenz weiter zu. Denn die Freiflächenanlagen auf Äckern haben gegenüber den Generatoren auf Konversionsflächen den Vorteil, dass diese leichter zu bauen sind. Schließlich ist eine Ackerfläche einfacher zu erschließen. Die Photovoltaik wiederum ist unter Druck, die Stromgestehungskosten deutlich unter zehn Cent pro Kilowattstunde senken zu müssen. „Hier könnte die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern unterhalb von Photovoltaikfreiflächenanlagen ein Lösungsansatz sein“, erklären die Freiburger Forscher. „Dieser Ansatz, Sonnenenergie auf der gleichen Fläche für Nutzpflanzen und für Solarstromproduktion zu verwenden, könnte sich zu einem weltweit interessanten Beispiel entwickeln“, ergänzt Eicke Weber, Institutsleiter des Fraunhofer ISE.

Kartoffeln wachsen mit wenig Sonne besser

Konkret baut Baywa auf dem Acker der Hofgemeinschaft Heggelbach eine Anlage mit einer Leistung von 190 Kilowatt auf und betreibt diese. Unter der Anlage pflanzen die Ökobauern der Hofgemeinschaft Feldfrüchte und Gemüse an. Ziel des Projektes ist herauszufinden, wie die Pflanzen mit der Verschattung durch die Solaranlage zurechtkommen. Erste Studien des Fraunhofer ISE legen nahe, dass vor allem Kartoffeln und Salat mit geringerer Sonneneinstrahlung sogar besser wachsen, als wenn sie der Sonne voll ausgesetzt sind. Zumal dann die Sonneneinstrahlung für die Pflanzen unter der Photovoltaikanlage im Schnitt gleichmäßiger verteilt ist.

Akteursvielfalt fördern

Solche Projekte bieten noch einen zweiten Vorteil, wenn sie sich einmal durchsetzen. Da sie in der Regel von Landwirten, Gemeinden sowie kleinen und mittleren Unternehmen realisiert werden, könnte die APV die lokale Wertschöpfung in der Region sowie die ländliche Entwicklung fördern. Auch wäre da eine Beteiligung von Bürgern an der Energiewende weiter gesichert und so die Akteursvielfalt besser gewährleistet als dies die Bundesregierung mit ihren Ausschreibungen für Freiflächenanlagen zu leisten vermag. Zudem wäre dadurch der Bau von Solarstromanlagen mit einer Gesamtleistung von 25 bis 50 Gigawatt in ganz Deutschland möglich.

Ein dritter Vorteil ist, dass mit solchen Projekten die Energiewende auch in Regionen vordringt, wo sie bisher noch nicht so richtig angekommen ist. Die Region, in der die Testanlage steht, hinkt hinter dem bundesdeutschen Durchschnitt her. Im Bodenseekreis lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch im Jahr 2013 bei etwa zwölf Prozent, während er bundesweit bei 25,5 Prozent lag. Durch die intensive Nutzung der Ackerflächen für die Landwirtschaft ist der Bau von Solaranlagen dort kaum vorangekommen. Auch andere Technologien konnten sich dort bisher nicht durchsetzen. Der Bau von Windkraftanlagen wurde immer abgelehnt, weil diese den Alpenpanoramablick stören könnten. Auch das Potenzial für die Produktion von Biogas ist eher gering, weil in der Region hauptsächlich Obst und Hopfen angebaut wird.

Strom wird vor Ort vermarktet

Um nicht in den rechtlichen Konflikt zu kommen, dass die Anlage eine Einspeisevergütung braucht, wird der erzeugte Strom zum großen Teil vor Ort vermarktet. Den überschüssigen Strom nimmt der Ökostromanbieter Elektrizitätswerke Schönau (EWS) ab und vermarktet ihn im Rahmen seines Portfolios. Außerdem werden die Forscher des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technik (KIT) die agrarwissenschaftliche und ökologische Analyse des Projekts übernehmen. Die technische Realisierung übernehmen Wissenschaftler der Universität Hohenheim. (su)