03.03.2015, 16:59 Uhr

Sachsen diskutiert über 10H-Abstand - Ende des Windkraft-Ausbaus?

Leipzig – Nach Bayern könnte Sachsen das zweite Bundesland werden, das sich beim Ausbau der Windenergie für die umstrittene sogenannte 10H-Abstandsregelgung entscheidet. Zu diesem Thema hat nun der Umweltausschuss des sächsischen Landtages eine Anhörung durchgeführt. Fazit: Die Folgen für den Windkraft-Ausbau wären bei einer Umsetzung fatal.

Einer der Sachverständigen war Rechtsanwalt Prof. Martin Maslaton, Honorarprofessor für das Recht der Erneuerbaren Energien an der TU Chemnitz und der TU Bergakademie Freiberg sowie Vorsitzender des Landesverbands Sachsen im Bundesverband Windenergie (BWE). Er erklärte, dass sich die geladenen Sachverständigen mehrheitlich einig gewesen seien: "Ein Mindestabstand über die bisherigen Abstände zwischen 650 und 1.000 Meter hinaus käme faktisch einem totalen Ausbaustopp für die Windenergie im Freistaat gleich." Ähnliche Folgen kennt man schon aus Bayern, wo diese Regel bereits verabschiedet wurden.

Sachsen könnte Mindestabstand für Windenergieanlagen einführen

Nach der 10-Abstandsregel soll der Mindestabstand das Zehnfache der Höhe der jeweiligen Windenergieanlagen (Nabenhöhe plus Radius der Windradflügel) betragen. Das wäre bei einer modernen Turbine mit einer Gesamthöhe von rund 200 Metern dann also 2.000 Meter Abstand. Aktuell beträgt dieser Abstand laut Maslaton in Sachsen zwischen 650 und 1.000 Meter.

„Wir bekennen uns zum weiteren Ausbau der Windenergie“, heißt es im Koalitionsvertrag von Sachsens schwarz-roter Regierung. Zudem soll der Windenergie, wie vom Gesetzgeber auch gefordert, „substantiell Raum geschaffen werden“. Doch nun könnte auch Sachsen von der im Baugesetzbuch neu geschaffenen Möglichkeit Gebrauch macht und per Gesetz bis Ende dieses Jahres einen Mindestabstand zwischen Windenergieanlagen und bebauten Gebieten festlegen. In der Diskussion ist dabei meist die angesprochenen 10H-Regelung, wie sie in Bayern bereits Anwenfdung findet.

Neue Abstandregeln würden bisherige Regionalpläne über den Haufen werfen

Im Umweltausschuss des sächsischen Landtags waren sich Sachverständigen, darunter auch die Vertreter der regionalen Planungsverbände weitgehend einig, dass eine 10H-Regelung ihnen angesichts der dichten Besiedlung Sachsen überhaupt keinen Raum mehr ließe, noch Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergie ausweisen zu können. Schon jetzt liege man bei unter 0,5 Prozent der Fläche, die für die Windenergie überhaupt in Frage komme. Außerdem würde ein neu festgesetzter Mindestabstand die derzeit in der Überarbeitung befindlichen Regionalpläne völlig über den Haufen werfen. „Wir müssten dann wieder bei Null anfangen“, erklärten Prof. Andreas Berkner vom Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachen und Dr. Jens Uhlig vom Planungsverband Region Chemnitz nach Angaben von Maslaton übereinstimmend.

Maslaton: Potentialflächen in Sachsen würden bei 10H gegen Null gehen

Derzeit orientieren sich die Regionalen Planungsverbände am Landesentwicklungsplan (LEP) und dem Energie- und Klimaprogramm (EKP), in dem Mindestwerte für die Bruttostromproduktion festgelegt sind. „Eine substantielle Ausweisung von Flächen für die Windkraft, wie gesetzlich gefordert, wäre mit 10H definitiv nicht mehr möglich“, bekräftigt auch Maslaton, „denn bei 2.000 Metern, und das bedeutet 10H ja in der Realität, gehen die Potentialflächen gegen Null.“

„Selbst die Ausweisung von Vorrang- und Eignungsflächen“, ergänzte Maslaton im Landtagsausschuss, „bedeutet aber nicht automatisch, dass sich auf diesen Flächen dann auch einmal Windräder drehen werden. Am Ende der umfangreichen Genehmigungsverfahren steht gerade in Sachsen erfahrungsgemäß sehr oft auch die Versagung der Baugenehmigung. Zentrale Rolle spielt dabei das Immissionsschutzrecht. Das Bundesimmissionsschutzgesetz, in dem auch Fragen rund um Schall und Lärm geregelt sind, hat schon in zahlreichen Fällen entweder Windenergieanlagen verhindert oder für ausgeweitete Abstände gesorgt. Der Schutz der Anwohner wird also schon jetzt sehr ernst genommen.“

Sachsens Koalitionsvertrag lehnt starre Abstände für Windkraftanlagen eigentlich ab

Trotz der aktuellen Anhörung im Umweltausschuss scheint es keine wirklich Bewegung für die 10H-Regelung zu geben. Immerhin steht auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD für Sachsen: „Starre Mindestabstandsregelungen für die Errichtung von Windkraftanlagen lehnen wir ab.“ Bis auf Bayern, das die 10H-Regel eingeführt hat, denkt laut derzeit Maslaton auch kein anderes Bundesland darüber nach, Mindestabstände vorzuschreiben. „Die Landesregierung sollte sich an ihre Koalitionsvereinbarung halten und im Interesse des Klimaschutzes umsetzen, mithin den Landesentwicklungsplan und das Klimaprogramm entsprechend aktualisieren“, so Maslaton.

Quelle: IWR Online
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