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Die Meinung
28. Juli 2014

Wasserkraft im Spannungsfeld von Energiewende und Gewässerschutz

Ist die Nutzung der Wasserkraft nachhaltig und ökologisch? Ja, sagen die Betreiber und meinen damit die regenerative, emissionsfreie Stromproduktion aus Wasserkraft. Nein, sagen die Gewässer- und Naturschützer und denken dabei vor allem an den ökologischen Zustand unserer Flüsse und das Ziel, eine gewässerökologische Durchgängigkeit zu erreichen.

Philipp HawlitzkyGeschäftsführer Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW e.V.

Philipp HawlitzkyGeschäftsführer Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW e.V.
Philipp Hawlitzky ist Diplom-Geograph und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW e.V. (Bild: Philipp Hawlitzky)
Philipp Hawlitzky ist Diplom-Geograph und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW e.V. (Bild: Philipp Hawlitzky)

28.07.2014 – Dieses Spannungsfeld zwischen Wasserkraftnutzung und Gewässerschutz ist viel diskutiert. Extrempositionen werden aber den gesellschaftlichen Ansprüchen weder bei Natur- und Gewässerschutz noch bei Energiewende und Klimaschutz gerecht. Es müssen also individuelle Lösungsansätze und vertretbare Kompromisse gefunden werden, um sowohl die Nutzung zukunftsfähiger und regenerativer Energie als auch eine Verbesserung des ökologischen Zustandes von Gewässern zu erreichen. Nur so ergibt sich eine Win-win-Situation für beide Seiten.

Eine zentrale Forderung der Gewässerschützer ist die Herstellung der Durchgängigkeit von Fließgewässern, die durch die Beseitigung von Querbauwerken oder Stauanlagen erfolgen soll. Leider wird jedoch oftmals übersehen, dass auch durch den Bau von Wasserkraftanlagen an bestehenden Querbauwerken die Herstellung der Durchgängigkeit gewährleistet werden kann. In § 34 Wasserhaushaltsgesetz ist geregelt, dass bei Betrieb von Stauanlagen die Durchgängigkeit hergestellt werden muss. Auf diese Weise können durch Investitionen der Betreiber die Kosten zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gemindert werden – eine Maßnahme, die letztendlich auch den Steuerzahler entlastet. Eine Verbesserung der Durchgängigkeit und Klimaschutz stehen also nicht im Widerspruch zueinander, sondern können sich positiv ergänzen.

Ziel muss es daher sein, die Ertüchtigung und Optimierung bestehender Wasserkraftanlagen, respektive die Revitalisierung von alten (zwischenzeitlich stillgelegten) Anlagen sowie die Errichtung von Neuanlagen an bestehenden Staustufen zu ermöglichen. Die entsprechenden Potentiale sind vorhanden und sollten im Einklang mit den naturschutz- und wasserrechtlichen Rahmenbedingungen mobilisiert werden. Hierzu müssen bei behördlichen Entscheidungen über Wasserkraftvorhaben neben den Zielsetzungen des Hochwasserschutzes, der Gewässerökologie und des Naturschutzes auch die Belange der Energieerzeugung qualifiziert berücksichtigt werden.

Neben ihrem Beitrag zur Energiewende lassen sich entsprechende Maßnahmen – im Vergleich zum Status Quo – oftmals positiv für die ökologische Durchgängigkeit umsetzen. Grundsätzlich sollten hierbei möglichst einvernehmliche Lösungen angestrebt werden, um bei einem wirtschaftlichen Betrieb die Ökologie des Fließgewässers zu verbessern. Dabei ist es wichtig, dass auch neue Technologien eingesetzt und die Forschung und Entwicklung innovativer Lösungen vorangetrieben werden.

Generell ist die Aufgabe einer bestehenden Wasserkraftanlage bzw. der Abriss von Querbauwerken, die energetisch genutzt werden könnten, auch aufgrund der politisch geforderten Stärkung regenerativer Energie nicht zielführend. Die Versorgung mit Energie ist langfristig nur dann zukunftsfähig, wenn sie auf Erneuerbaren Energien beruht. Hierbei sollten auch die Wasserkraftpotentiale, die ökologisch vertretbar sind, erschlossen werden.

Bei der Erschließung dieser Potentiale sollten intelligente Lösungen gefunden werden, um die Situation an bestehenden Stauanlagen zu verbessern und gleichzeitig regenerative Energie zu erzeugen. So werden Fische durch gut konstruierte Rechensysteme am Eindringen in die Wasserkraftwerke gehindert oder es wird ihnen durch innovative Techniken wie z.B. der fischfreundlichen Turbine ermöglicht, Wasserkraftwerke unbeschadet zu durchqueren. Viele Anlagen verfügen zudem schon heute über Wanderhilfen, innovative Rechen-Bypasskonzepte und naturnahe Umgehungsgerinne oder werden im Laufe der WRRL-Umsetzung mit solchen Einrichtungen versehen. Eine flexible Abflusssteuerung, angepasst an die jeweiligen Anforderungen vor Ort, kann den bestehenden Zustand zusätzlich verbessern. Die Investitionen der Betreiber entlasten dabei die öffentliche Hand.

Da jeder Wasserkraftstandort sehr individuell ist, gibt es sowohl sehr gute Beispiele zur Vereinbarkeit von Wasserkraft und Gewässerökologie als auch Beispiele, die vor ambitionierten Herausforderungen stehen. So stellen die heutigen wasserwirtschaftlichen Ansprüche beispielsweise die Betreiber historischer Wasserkraftanlagen vor bedeutende Schwierigkeiten. Dennoch ist die Bereitschaft der Betreiber zur Herstellung der Durchgängigkeit oftmals vorhanden. Bedauerlicherweise scheitern solche Vorhaben aber zum Teil an überzogenen und nicht dem Stand der Technik entsprechenden Ansprüchen, die ein Ungleichgewicht von ökologischem Nutzen und Investitionskosten entstehen lassen.

Die Mehrzahl der Gewässer in Deutschland wurde in der Vergangenheit durch den Menschen auf vielfältige Weise verändert. In vielen Bereichen sind die Flüsse auch ohne die Wasserkraft stark verbaut und werden sich kaum wieder zurückentwickeln lassen. Seit Jahrtausenden hat der Mensch die Gewässer kultiviert und genutzt, sodass sich die Landschaft von einer Natur- zu einer Kulturlandschaft entwickelt hat.

Auch die Nutzung der Kraft des Wassers entlang der Gewässer zählt zum Bestandteil unserer Kulturlandschaft und hat eine lange Tradition. Wo heute Strom für die umliegende Bevölkerung erzeugt wird, stand früher oft eine Mühle, ein Säge- oder ein Hammerwerk. Die Anlagen wurden im Laufe der Zeit mit ihren Mühlbächen zu wertvollen Bestandteilen unserer Kulturlandschaften. Als Beispiele der frühen Automatisierung und Industrialisierung verdienen sie die Anerkennung als wertvolle Kulturgüter und stehen daher zum Teil unter Denkmalschutz. Darüber hinaus hat die Wasserkraft oftmals auch für Industrie- und Gewerbebetriebe entlang der Gewässer einen hohen wirtschaftlichen Nutzen und einen historischen Ursprung. Die energetische Nutzung der Wasserkraft hat häufig erst die Ansiedlung der Betriebe möglich gemacht und ist noch immer sehr wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und des Standortes.

Die Natur hat sich zudem über Jahrzehnte oder Jahrhunderte an die Verhältnisse vor Ort angepasst. Durch die mit Wassermühlen und -kraftwerken verbundene Stauhaltung von Gewässern haben sich oftmals neue Biotope und gewässerabhängige Ökosysteme wie Vogelbrutstätten, Auwälder und wertvolle Feuchtgebiete gebildet, die anderswo durch den Gewässerausbau verloren gingen. Die Stauhaltungen dieser Anlagen sind heute häufig Landschafts- oder Naturschutzgebiete. Ohne Stauhaltung käme es also zu einem Verlust dieser Gebiete und an vielen Gewässern zu Erosionserscheinungen und Grundwasserabsenkungen.

Die Wasserkraft ist eine heimische, sichere und zuverlässige Energiequelle. Als ständig verfügbarer Bestandteil im Energiemix ergänzt sie optimal den Verbund der Erneuerbaren Energien und trägt zur Netzstabilität bei. Die CO2-freie und klimafreundliche Technologie verursacht keine Emissionen und vermeidet daher Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung. Durch Wasserkraft erzeugter Strom ist im Gesamtkontext der regenerativen Erzeugungsquellen besonders wertvoll, da er grundlastfähig ist und prognostizierbaren Strom liefert. Strom aus Wasserkraft ist also stetig und zuverlässig kalkulierbar vorhanden, Tag und Nacht und bei jedem Wetter. Darüber hinaus stehen Wasserkraftanlagen eigentlich immer in der Nähe von Siedlungen und Produktionsstätten, d.h. der Strom wird dezentral produziert und muss auf dem Weg zum Verbraucher nicht weit transportiert zu werden. Gerade im Hinblick auf die aktuelle Krise in der Ukraine kann die effiziente Wasserkraft auch zur Einsparung fossiler Rohstoffreserven sowie zur Verringerung der Importabhängigkeit und damit zur Versorgungssicherheit beitragen.

Philipp Hawlitzky ist Diplom-Geograph und seit November 2013 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW e.V., dem Verband der nordrhein-westfälischen Wasserkraftwerksbetreiber. Der Verein setzt sich vor allem für eine nachhaltige und klimafreundliche Energieerzeugung, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Bestand und Ausbau der Wasserkraft sowie einen ökologisch verträglichen Ausbau der Wasserkraft in NRW ein. Darüber hinaus ist Philipp Hawlitzky auch als Geschäftsführer für die Interessengemeinschaft Wassernutzung NRW und als Referent für den Landesverband Erneuerbare Energien NRW e.V. tätig.




Kommentare

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Georg Beer 28.07.2014, 22:15:56

+271 Gut Antworten

Der Artikel trifft die Situation sehr gut. Wo sind die politisch Verantwortllichen , die endlich handeln ?

Hedwig Andreae 28.07.2014, 22:51:28

+254 Gut Antworten

Danke für die gute Darstellung.


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